Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Samstag, 23. Juni 2012

Patientencompliance, (fehlende)

Viele Menschen haben Diabetes Typ II, eine Erkrankung, die man sich zumeist durch falsches Essverhalten holt und die in den meisten Fällen behoben werden könnte, indem man ab dem Zeitpunkt der Feststellung darauf achtet, nur sehr kontrolliert, Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Es wäre sogar möglich, gelegentlich etwas Schokolade und Süßes zu essen, aber eben nur gelegentlich. Viele ziehen es vor, Mittel einzunehmen, die die Folgen beharrlichen falschen Essens in den Griff bekommen sollen, viele zerstören dabei ihre Nieren und ihre Augen, etliche werden dadurch dialysepflichtig.
Die Ärzte müssen mit der fehlenden Compliance der Patientenleben;  sie ermahnen sie, geben ihnen Ernährungsvorschläge, versuchen die (auch schädlichen) Medikamente auf einem Minimum zu halten, halten ihnen die schädlichen Konsequenzen vor Augen. In vielen Fällen nützt es rein gar nichts.
Wäre es etwa realistisch, zu fordern, die Ärzte sollten die armen kranken Leute endlich in Ruhe lassen, damit sie essen können, was sie wollen, ohne dabei dann auch noch ein schlechtes Gewissen zu haben? Wäre es seitens der Ärzte barmherzig, nicht auf die Folgen hinzuweisen, die ein Fehlverhalten bringen wird? Wäre es solidarisch, solche Menschen möglichst oft, zu Schlemmermahlzeiten einzuladen, damit sie wenigstens noch ein paarmal so richtig genießen können.

Das Beispiel ließe sich mit einigen selbst herbeigeführten Erkrankungen wiederholen. Gerade hatte ich so einen Gichtpatienten in Behandlung. (Er hat beginnenden Diabetes und eine kranke Niere.) Seit mindestens drei Jahren erzähle ich ihm bei jeder Konsultation, wie er seine Ernährung sinnvoll ändern könne. Er ignoriert es. Vor einem Monat begannen die Gichtanfälle. Er bekam von mindestens drei Therapeuten Listen davon, was er nicht essen sollte. Medikamente nahm er nicht ein. Prompt kamen solche Schmerzen, dass er ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Aber niemand glaube, dass er ab jetzt anders essen wird.
Bin ich unbarmherzig, wenn ich ihm weiterhin empfehle, was er lieber meiden und was er tun solle? Bin ich Realitätsverweigerer, weil ich es trotz seines Unwillens, etwas für sich selbst zu tun, weiterhin mache?

Ist es nicht eher so, dass solche Patienten sich der Realität und der Konsequenzen ihres Verhaltens verweigern wollen? Ist es nicht so, dass solche Menschen mit sich selbst äußerst unbarmherzig umgehen?

Im Medizinischen erscheint das wahrscheinlich noch den meisten einsichtig. Doch sobald es um Seelsorge geht, geht jede Perspektive verloren. Eine Sünde ist nicht eine Sünde, weil sie von jemandem als solche definiert wurde. Wenn jemand das Maß in seinen mitmenschlichen Beziehungen verliert, sind die Folgen für seine Seele genauso unausweichlich wie wenn jemand das gleiche in Bezug auf eine vernünftige Ernährung tut und damit seine Gesundheit gefährdet.
Ein guter Seelsorger muss auf die Folgen hinweisen, die ein Verhalten im geistlichen Bereich haben wird, und er handelt nicht unbarmherzig, wenn er es tut.

Es ist vollkommen verantwortungslos, anders zu handeln. Und eine solche sträfliche Verantwortungslosigkeit auch noch als Barmherzigkeit auszugeben ist schon geradezu ungeheuerlich.


2 Kommentare:

  1. Die Krankengeschichten, die Sie hier erzählen erinnern fatal an den letzten Papst. Der hat sich auch so lange geweigert sein Levodopa zu nehmen, bis es zu spät war. Und dann hat er sein Leiden wie ein Fahne vor sich hergetragen.

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