ist kein schöner Anblick. Jedenfalls nicht, wenn man auch den
Giganten anderer Meinung und Überzeugungen die Wertschätzung nicht
versagt. Man mag erleichtert sein, wenn
eine große Persönlichkeit, mit der man nicht übereinstimmen konnte oder wollte,
nicht mehr über die Macht verfügt, alles mehr oder weniger nach ihrem Willen zu
lenken. Aber es stimmt traurig, wenn so ein ehemaliger Gigant auf seinem Feld
weitgehend ungeschlagen anfängt, sich selbst immer mehr zu demontieren und sich
zu schaden, ohne es selbst zu erkennen und seinen eigenen Niedergang an die
Öffentlichkeit trägt, ohne sich darüber klar zu sein. Einen ehemals großen
Protagonisten ehrlich bezwungen zu sehen, könnte erfreuen, aber Zeuge seines
Verfalls zu sein, stimmt traurig.
Das sind die Gedanken, die mir kommen angesichts der
jüngsten Äußerungen von Kardinal Lehmann auf dem Eucharistischen Kongress in
Köln. Kardinal Karl Lehmann, zwei Doktor- und ein Professorentitel, einstmals
brillant in seinen analytischen Fähigkeiten und seiner Kapazität, Sachverhalte
zu erfassen und so darzustellen, dass niemand die Filterung und geschickte
Steuerung der Informationen wahrnahm, ein exzellenter Dialektiker, ein Theologe
mit enormem Wissen.
Mich haben seine Thesen zwar nie gewinnen oder überzeugen
können, aber der Virtuosität, wie das ein oder andere vorgetragen oder
umgesetzt wurde, zolle ich doch einen gewissen Respekt. Wenn auch nicht
freudig.
Jetzt aber denke ich, der einstige Meister vieler Klassen hat den Überblick verloren, seine Fähigkeit, die Lage klar einzuschätzen und
das Urteilsvermögen darüber, wann etwas benannt werden solle oder wann es
besser ist zu schweigen.
Zwei Themen wurden in einer DNA-Meldung benannt, Äußerungen
zur lateinischen Messe „im Tridentinischen Ritus“ und zur korrekten Übersetzung
der Wandlungsworte.
Zum einen soll sich der Kardinal gegen vermehrte Feiern der
lateinischen Messe „im Tridentinischen Ritus“ gewandt haben: „Ich habe den
Eindruck, die ganze Begeisterung für das Latein hat viel mit Prestige und
falschen Vorspiegelungen einer vermeintlichen Kulturelite zu tun.“ Er halte
„ein stärkeres Nebeneinander beider liturgischer Formen heute nicht für
sinvoll, auch weil es nicht von unten gewachsen ist.“
Ich frage mich, gegen welche Windmühlenflügel er überhaupt
kämpft hier und wen er damit zu vertreten meint. Vielleicht geht es um elitäre
Kreise, in denen auch er schon lange lebt, gegen die er möglicherweise lange
opponierte und die weit weg sind vom Alltag jedes Durchschnittskatholiken.
Ich muss aus meiner Erfahrung sagten, dass bei allen Leuten,
die ich kenne, die Präferenz für den „außerordentlichen“ Messritus rein gar
nichts mit Prestige und Kulturelite zu tun hat. Das sind alles ziemlich
einfache Leute, deren Lateinkenntnisse sehr mager sind und bei deren Denken die
Kultur keinen so überhöhten Stellenwert hat. Sie versuchen Halt für ihren
Glauben zu finden, wollen vielleicht Erbauung durch die die Sinne mehr
ansprechenden Formen und einfach die organische Einheit mit der Kirche in allen
Zeiten bewahren. Es mag auch andere geben, aber das sind die Leute, die ich
kenne.
Ich selbst mag von der Ausbildung her „Elite“ sein,
Kulturelite bin ich bestimmt nicht, mein Latein ist maximal mittelprächtig, was
daran liegt, das ich die Sprache einfach mochte. Und Prestige? Man muss sich
jede Menge dumme Sprüche und Unterstellungen anhören, wenn man Latein schön und
den älteren Ritus ansprechend finden, Prestige in Zusammenhang damit kenne ich
nicht.
Ich komme auch selten in so eine Messe, was daran liegt,
dass das Angebot dafür mager ist. Die drei Gelegenheiten, die ich kenne,
verlangen a) sehr frühes Aufstehen und 30 km Fahrt; b) gut 50 km Fahrt; c) 15
km Fahrt und eine verheerende Parksituation, die einem alles verleiden kann.
Also gehe ich normalerweise in die oft unsägliche Gemeindemesse zuhause und
wünsche mir tatsächlich ein besseres Angebot.
Wie soll denn unter solchen Bedingungen etwas „von unten
wachsen“? Das ginge ja nur, wenn man eine echte Möglichkeit hätte, mit „den
Füßen abzustimmen“. Außerdem, was ist denn an den derzeitigen Messzuständen
„von unten gewachsen“ – die werden doch von oben (von Kommissionen, Theologen,
Pfarrern und vollamtlichen Laien) schon
seit Jahrzehnten aufoktroyiert. Gewachsen war die alte Form, die neue wurde
synthetisiert in einem Labor weitweg von allen von Gläubigen gefeierten Messen.
Und soll die Messe überhaupt „von unten wachsen“? Ist sie nicht „von oben
gewachsen“ in ihrem Einmünden in die himmlische, die „göttliche“ Liturgie, wie
sie auch in der Offenbarung beschrieben wird. Das Zusammenmünden des
Gottesdienstes der Engel und der Menschen?
Von einem Bischof und Kardinal hätte ich qualifiziertere
Äußerungen erwartet.
Das zweite Thema war die korrekte Übersetzung der
Wandlungsworte, die in ebendieser korrekten Form wohl demnächst in allen
Gesangbüchern und Messbüchern stehen werden. Hier schlug der Kardinal
anscheinend vor, man solle auch weiterhin im Widerspruch zum dann gültigen
Messbuch die falsche und interpretierende Übersetzung der Worte Jesu nehmen, die
uns in den letzten Jahrzehnten vorgetragen wurde, da deren Sinn doch auch
theologisch legitim sei (wäre er es nicht, hätte es sich ja auch nur um ca. 40
Jahre Häresie ausgerechnet bei den Wandlungsworten gehandelt, was nun
tatsächlich sehr bedenklich wäre).
Ich frage mich nur, möchte der Redner hier ernsthaft spalten
oder quertreiben, wenn er versucht sich in Opposition zur korrekten Übersetzung
weltweit zu stellen? Warum kann er nicht auch einfach die Einheit wahren? Hängt
er so an einer favoritisierten Position, dass er nicht mehr sieht, dass sie sie
nur eine kleine Scholle Eis ist, die dabei ist, sich im Wasser aufzulösen, auch
wenn sie noch auf den Wellen tanzt? Will er sein Bistum in Verwirrung stürzen,
indem er ihm eine Sonderliturgie geben will? Merkt er nicht, dass er sich mit
solchen Äußerungen geradezu lächerlich macht?
Gleich wie man zu ihm stehen mag, er war einmal eine Art
Gigant – und jetzt tut er mir irgendwie leid, dass niemand ihn davor bewahrt,
sich zunehmend zu einem Anrenner gegen Windmühlenflügel zu machen.
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