Der nun heiliggesprochene Papst Johannes XXXIII war berühmt
für seine Güte. Güte im Sinne von gütig sein, die Menschen anzunehmen und jedem
einzelnen etwas von der Liebe Christi sichtbar zu machen. Aus seinem geistlichen Tagebuch strahlt
dieser innerste Kern seines Seins hervor. Das Ringen, andern keinen Anstoß zu
geben, der Verzicht, eigene Rechte und Interessen durchzusetzen, das ständige
Bemühen – mit all seinen kleinen Schiffbrüchen – in dieser hingebenden Liebe
und Güte zu wachsen. Gott hat all diesem Ringen ganz offensichtlich seine Gnade
dazugegeben, so dass diese Güte auch wirklich aus ihm herausstrahlen konnte.
Nein, wer die Aufzeichnungen dieser reinen Seele liest,
braucht kein Wunder mehr, um die Heiligkeit erkennen zu können, die hier
aufstrahlt.
Güte ist auch ein herausragendes Zeichen bei Papst Benedikt
XVI. Seine Güte hatte nicht die Qualität der schlichten Einfachheit wie bei
Johannes XXIII sondern stets die Qualität einer bewussten Entscheidung, auch
dem ärgsten Gegner mit Respekt zu begegnen .
Die Güte eines Johannes XXIII war - zum Beispiel mir – unerreichbar,
diese Heiligkeit ist nicht jedem gegeben. Die Güte Benedikts XVI war etwas, dem ich nacheifern konnte. Das war
Christus, der sehr wohl weiß, was falsch und schief ist und wie es mit jemand
steht und demjenigen dennoch begegnet als wäre es ein gleich-zu-gleich. Eine
Zuwendung, die den, der sich treffen lässt, auf heilsame Weise beschämen kann,
weil der eigene Egoismus, die eigene Rechthaberei plötzlich durch den Kontrast
hervortreten und der Wunsch stark werden kann, diese Hässlichkeiten endlich
loszulassen.
Was gleich war bei diesen beiden Manifestationen des Wesens
Gottes ist, dass die Güte – weder die einfach mit Liebe umarmende Johannes
XXIII noch die den eigenen Edelmut aus dem Schlaf rufende Benedikts XVI – in
irgendeiner Weise auf Kosten anderer ging.
Die eine kritisierte gar nicht, die andere basierte auf Selbstkritik,
beide gründeten in Demut.
Auch bei Papst Franziskus ist ein Bild der Güte zu sehen.
Bei ihm ist es eher die flammende Leidenschaft für die Ärmsten, für
Ausgegrenzte, für Leidende. Ein Herz das brennt, Not zu lindern und
Ungerechtigkeiten zu beheben. Eine Sehnsucht bei denen zu sein, die leiden und
dort das Leiden Christi zu sehen, das nach unserm Handeln ruft. Da ist ein
Hirte, den die Not berührt, der sofort herbeieilen will, um zu helfen und bei
dem es dann schon einmal vorkommt, dass bei der Rettung des einen Schäfchens in
der Eile ein anderes Schäfchen einen Schubs bekommt, nachdem es dann auch
rettungsbedürftig ist. Was dann natürlich auch geschieht, sobald die Situation
erkannt ist. Ein Hirte, der wirklich will, das keins verloren geht.
Wie drückte es letzt jemand aus? „Ach die beiden andern, das
sind halt Heilige (auch wenn der eine
noch lebt, wird ihm das irgendwie zugestanden), aber der Franziskus, der ist wie
wir. Der gefällt mir besser.“ Wie wir. Ja, warum eigentlich schlagen die Wellen
der Beliebtheit plötzlich in vorher ungeahnte Höhen?
Wenn man es wirklich bedenkt, P. Werenfried von Straten z.B. hat
mehr mobilisiert für Arme aller Art. Wenn er gepredigt hat, hat es Herzen so
getroffen, dass die Zuhörer bis an die eigene Schmerzgrenze gegeben haben und
manchmal sogar darüber hinaus, weil sie erkannten, dass da – ein ihnen fremder
– Bruder, eine Schwester, das Ebenbild Christi in Not ist. Hat Papst Franziskus
bisher eine solche Welle der Hilfsbreitschaft in Gang gebracht? Es würde ihn
ungeheuer freuen, gelänge ihm das. Aber nein.
Es wird viel geredet darüber, dass der oder jener mehr tun
solle, um Armen zu helfen, aber natürlich nicht man selbst sondern „die
Kirche“, „der Bischof XY“, „diese selbstherrlichen Pfarrer“ usw.
„Die da“,
nicht wir.
Woher kommt das?
Nicht weil Papst Franziskus da ein schlechtes Beispiel gäbe.
Nein, er wird gerne als Beispiel angeführt, dass „die da“ es ihm mal nachtun
sollten. „Die da“, nicht die Sprecher selbst.
Wo also sitzt der Wurm?
Der Wurm, der nichts mit Güte gemein hat und der eine Umkehr
bei sich selbst nicht will sondern bei
den andern fordert. Der Wurm, der sich im eigenen Bessersein sonnt und auf andere
herabschauen möchte. Der Wurm, bei dem lang kultivierte Rachegelüste und Zerstörungswille
an die Oberfläche kriechen, weil sie glänzende moralische Deckmäntel gefunden
haben.
Ich kann es nicht sicher sagen. Mir fällt nur auf, dass das
Einschlupfloch für diesen selbstgefälligen Wurm, der die Früchte frisst, die
den wahrhaft Armen und Leidenden zukommen sollten, das folgende sein könnte:
Die Güte, die Johannes XXIII praktizierte und Benedikt XVI
noch praktiziert, diszipliniert sich selbst und verzichtet(e) auf Vorwürfe außer
sie beziehen das Selbst ein.
Die Güte von Papst Franziskus liefert immer
Sündenböcke mit, auf die man dann Steine werfen zu dürfen glaubt.
Das erfreut
die gefallene Seele natürlich, sich gar nicht selbst disziplinieren zu müssen
sondern mit andern abrechnen zu können, die ja ganz klar von komptetenter Seite
benannt wurden.
Papst Franziskus sagt nicht: „Wir Priester verletzen oft
durch unbedachte Worte.“ Er sagt: „Viele Priester machen das schlecht.“ Was der
Wahrheit ja durchaus entspricht, nur allgemeiner Konsens ist dann: „Er macht es
ja gut. Ja, wenn die es machten wie er. Denen sagen wir mal Bescheid.“
Papst Franziskus sagt nicht: „Wir Christen leben oft nicht
die Freude des Glaubens.“ Er sagt, dass es da traurige Exemplare gebe, die das
nicht tun, die sich da besinnen müssten. Und der Chorus tönt: „Seht ihr. Er ist
ein gutes Beispiel. Aber ihr da, tut mal endlich was.“
Die Liste wäre lange fortsetzbar.
Und das heilt keine Wunden, es reißt neue auf, es spaltet
tiefer. Es verbittert die Angeklagten, es erbittert die Ankläger. Statt Güte
und Vergebung verbreitet sich eine Mentalität der Selbstgerechtigkeit, der
Anklage, des Beschuldigens, des Hetzens und Steinigens der Sündenböcke.
Ich weiß nicht, ob ich den ablaufenden Mechanismus hier ganz
erfassen konnte, und ich kann nur hoffen, dass Papst Franziskus gewahr wird,
dass hier etwas seine genuinen und guten Absichten bei ihrer Präsentation und
Vermittlung ständig auf Gleise umlenkt, die in völlig unerwünschte und ungute
Richtungen führen.
Aber schön wäre es, wenn dieser Spuk endlich ein Ende fände.
Ihre "Sündenbock"-Theorie als Erklärung für die enorme Begeisterung für Papst Franziskus scheint mir einleuchtend.
AntwortenLöschenVon dieser Seite habe ich das Problem noch gar nicht betrachtet.
Aber es stimmt schon, er greift sich häufig eine Gruppe heraus, die dann kritisiert wird.
Auch mit seiner Ausdrucksweise habe ich so meine Probleme.
Allerdings, man kann nicht von vornherein erwarten, dass Papst Franziskus über das gleiche feine Sprachgefühl verfügt wie sein Vorgänger, Papst Benedikt.
In der Glaubensverkündigung bzw. Predigten den Begriff "Fledermäuse" für eine bestimmte Art von Gläubigen zu gebrauchen - das kann aber schon ziemlich verwirren.