Update: mit besserem Zeilenumbruch, der Editor will leider nicht ganz so wie ich und dummerweise war ich nicht gleich auf die Vorschau gegangen ...
Aus aktuellem Anlass das Lied zum Tagesheiligen in zwei Fassungen; die älteste Version Straßburg 1697 liegt mir nicht vor. Die Fassung von 1847 ist von Bone, die von 1974 von Johann Abensperg).
Fassung 1847 Fassung 1974
Kommt all hierher, ihr Christenleut' Martinus, heil'ger Gottesmann,
Martinus lasst uns loben heut; wir rufen dich voll Freude an.
Martinus lasst uns preisen, mit dir lass Gott uns loben,
ihm Ehr und Dank erweisen. der dich so hoch erhoben.
Martinus ist vor Gottes Thron Du bist bei Gottes ewgem Thron
der Mainzer Kirche Schutzpatron; der Mainzer Kirche Schutzpatron;
Gott alles ihm gewähret, der Menschen Angst und Schmerzen
was er für uns begehret. trägst du zu Gottes Herzen.
Die ersten beiden Strophen ähneln sich noch sehr. Irgendwie wurde Anstoß daran genommen, dass Martinus gelobt und gepriesen wird, obwohl auch wir uns eigentlich zu Recht freuen, wenn uns jemand lobt, weil wir etwas gut gemacht haben, oder sogar preist, weil es besonders gut war. Ob da wieder ein ängstlicher Blick auf den Protestantismus eine Rolle spielte? Dass niemand auf die Idee verfällt, das Loben und Preisen sei ein Akt der Anbetung? Wie auch immer.
Die Zusage, dass wir uns auf die Fürbitte des heiligen Martin fest verlassen können, wurde dann noch abgeschwächt dazu, dass er unsere Probleme zumindest bei Gott mit vorträgt (auch wenn man nicht unbedingt mit Erhörung rechnen kann, wie es scheint. Mich würde die ältere Fassung eher inspierieren, in irgendeinem Problemfall, St. Martin mit einzuschalten. Aber, wie auch immer.)
Richtig unklug finde ich, was jetzt in den nächsten Strophen passiert ist. Ursprünglich wurde hier die Vita des Martinus kurz wiedergegeben: sein Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit, seine Zuwendung zu den Armen, die schließlich dazu führten, dass Christus sich ihm offenbarte und Martinus sich taufen ließ. Er quittierte den Militärdienst und wurde Mönch. Das wieder so vorbildlich, dass er sehr gegen seinen eigenen Willen zum Bischof gemacht wurde. Es wird noch mehr von seinem Wirken geschildert. Nicht genannt wird die Christusbegegnung mit der Mantelteilung. Vielleicht wollte die Neufassung diesem Manko abhelfen, denn es wurden drei Strophen neu nur dazu gedichtet; leider wurden dafür die ursprünglichen gestrichen:
Denn er ist immer Gottes Freund; Bis heute sehn wir staunend an,
vor ihm in Gnaden groß er scheint, was du für Christi Reich getan;
weil er sein Gut und Leben was mit des Lichtes Waffen
in seinem Dienst gegeben. durch dich der Herr geschaffen.
Er strebt' in frühster Jugendzeit Noch gilt uns als dein Testament
nach Wahrheit und Gerechtigkeit, der Schwertstreich, der den Mantel trennt,
gab allzeit gern den Armen um in der Kälte Schrecken
aus herzlichem Erbarmen. den Bettler zu bedecken.
Darum ihn Gott erleuchtet hell Wer dieser Bettler wirklich war,
und führt' ihn zu der Taufe Quell. das machte Gott dir offenbar:
Darauf im Klosterleben Er selbst rief in dem Armen
er sich der Buß ergeben. dich an um dein Erbarmen.
Als man zum Bischof ihn geweiht
ward er die Zier der Geistlichkeit;
auf Gott er alles lenkte,
sich ganz in ihn versenkte.
Hätte man den neuen Text integriert, könnte man es durchaus als Bereicherung sehen, wobei der derzeitigen political correctness wahrscheinlich auch die "Waffen des Lichtes" zum Opfer fallen würden. Das war noch vor der Textüberklebungskampagne für die Gotteslob-Bücher.
Aber jetzo kommt ein Text, der wohl fallen musste, denn es ist von der Bekehrung von Heiden die Rede und gar von toten Götzen. Das ersetzte man lieber durch eine erzieherische Ermahnung, dass auch wir uns mehr um die Armen kümmern sollten. Was ja auch stimmt - nur musste das gegeneinander ausgespielt und die Glaubensverkündigung durch Taten der Caritas völlig ersetzt werden?
Viel heidnisch Volk hat er bekehrt, Dein Wohltun mahnt auch heut die Welt
der toten Götzen Wahn zerstört; zu helfen, wie es Gott gefällt,
er leuchtet in dem Lande, nach Brüder Art zu teilen,
ein Vorbild jedem Stande. der Menschen Not zu heilen.
Und auch hier würde die 1974er-Version wieder zu noch mehr Abänderung verleiten, ist da doch nur von der Not der Brüder die Rede, nicht von der der Schwestern - wie "patriarcharlich" und "geschlechterdiskrimierend" lauten vermutlich die Proteste.
Als nächstes mussten wieder Wunder (übernatürliche Eingriffe) auf Zeichen (vorbildliche Handlungen) reduziert werden. Und dasselbe gleich noch einmal in Bezug auf die Heiligkeit und das gute Vorbild.
Groß war sein Werk, groß seine Gnad', Kühn war dein Werk in Gottes Gnad',
durch ihn der Herr viel Wunder tat. durch dich Gott große Zeichen tat,
In Heiligkeit gestorben, um vieler Menschen Leben
hat er die Kron' erworben. zum Guten zu erheben.
Die letzten drei Strophen wurden dann auf eine reduziert. Tugend war da wohl schon ein verpöntes, überholtes Wort und das Streben danach wurde eher als zwanghaft eingestuft, vermute ich. Also weg damit. Und den himmlischen Gewinn - von der Jenseitsorientierung wollte man ja wegkommen, also wurde nur die Bitte beibehalten, die das Diesseits betraf.
O unser großer Schutzpatron, Bleib immer unser Schutzpatron
bitt Gott für uns an seinem Thron, bei Gott dem Vater und dem Sohn
dass wir in diesem Leben und bei dem Heilgen Geiste,
nach Tugend mögen streben. damit er Beistand leiste.
Hilf, dass wir kommen zu dir hin,
erlangen himmlischen Gewinn.
So werden wir dort oben
Gott mit dir ewig loben.
Bleib unsers Bistums Schutzpatron
bei Gott dem Vater und dem Sohn
und bei dem Heil'gen Geiste,
uns allzeit Hilfe leiste.
Die Neufassung stellt also leider, aufgrund der vielen Streichungen, eine starke Verarmung dar. Die vielen vorbildlichen Lebensweisen des Martinus, ob als Nichtchrist und Soldat, als getaufter Laie, als Mönch oder als kirchlicher Amtsinhaber (Bischof), durch die er jedem Stand ein Modell sein kann, werden verkürzt auf die Begegnung mit dem Bettler, die heute fast allein noch von ihm weiter bekannt ist. Die Kombination von Gottes- und Nächstenliebe wurde weitgehend auf die Nächstenliebe reduziert; es fällt eine starke Fixierung auf das diesseitige Leben auf, während die Hinweise auf das ewige Leben fast völlig getilgt wurden. Wirklich schade.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen