Meinen vorigen Post über das Zutreffen oder Nicht-Zutreffen des Adjektives „erzkonservativ“ habe ich geschrieben, weil auch mir das Etikett „konservativ“ fast vom Moment meiner persönlichen Bekehrung an angehaftete werden sollte. Die Ursache dafür ist einfach: In verschiedenen Fragen vertrete ich eine Position, die auch von eindeutig „Konservativen“ vertreten wird. Wenn man berücksichtigt, dass manche Zeitgenossen die gesamte Menschheit in die Lager „konservativ“ und „progressiv-liberal“ einteilen möchten, ohne Ausnahmen zu gestatten, so dass also für alle Fragen in Politik, Religion und Gesellschaft nur zwei Auswahlmöglichkeiten bestehen sollen, dann legt die reine Wahrscheinlichkeitsrechnung es für den Durchschnittsmenschen, der nicht Verfechter einer engen Ideologie ist, nahe, dass er gelegentlich Positionen vertreten wird, die konservativ sind und andere, die es nicht sind. Ein gewisser Realismus würde hinzufügen, dass er manchmal auch Positionen vertreten wird, die sich weder der einen noch der anderen Kategorie zuordnen lassen.
„Konservativ“ als Vorwurf kommt meistens seitens solcher Menschen, die selbst sehr stark ideologisch geprägt sind und die sehr schnell meinen, ihre Ideologie gegen vermeintliche Angriffe (als solches zählt alles, was kritische Fragen an die Ideologie stellt) verteidigen zu müssen.
Allerdings betreiben auch manche Menschen den Konservativismus als Ideologie. Dieser Gruppe möchte ich keinesfalls zugeordnet werden, da sie oft genauso unvernünftig handelt wie ihre entschiedensten Gegner. In der Politik werden die Übertreibungen dieses Lagers schnell sichtbar. So als Toni Blair, der sich in vielen Dingen um Ausgewogenheit bemüht hat, von übereifrigen Konservativ-Anhängern von vornherein und für alles abgelehnt werden sollte, weil er Sozialist sei. Oder wenn der derzeitige amerikanische Präsident aufgrund seiner anfänglichen Erfolge, geschickten Vorgehens und hoher Sympathiewerte, dann von einigen, die sich konservativ nennen, gleich zum Antichristen stilisiert werden muss.
Meine Entscheidungen treffe ich aber nicht aufgrund einer Ideologie und nach der Frage ob etwas konservativ oder liberal oder was auch immer ist, sondern nach den Kriterien, ob sie mit meinem Glauben vereinbar sind und inwiefern sie auch die Gegebenheiten möglichst weitgehend berücksichtigen. Das führt in manchen Fällen dazu, dass nach Prüfung der Eckkriterien immer noch eine persönliche Gewissensentscheidung getroffen werden muss.
Im Grunde sollte für Christen stets ein eingeschränkter Konservativismus gelten, denn es heißt ja schon in 1 Thessalonicher 5,21: "Prüft alles, und behaltet das Gute!" - eine Maxime, die sicherlich gleichermaßen für Bewährtes und Neues gilt.
Nicht richtig wäre weder "bewahrt nur das Alte, Neues wird nicht gebraucht" noch "führt ständig Neues ein und schafft das Alte ab".
Leider versuchen die Vertreter der letzteren Maxime jeden, der sie auf ihren Irrtum hinweist, dadurch zu diskreditieren, dass sie ihm unterstellen, die andere Extremmeinung zu vertreten. Dies entspricht aber in keiner Weise den Tatsachen.
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