Die Wort-Gottes-Feier ist ein Notfallprogramm. Denn sie ist nicht einfach irgendeine Andacht, von denen es hunderte Formen und Varianten gibt und geben kann, darf und soll. Die Wort-Gottes-Feier ist für einen bestimmten Fall kreiert worden: eine katholische Gemeinde trifft sich zum sonntäglichen Gottesdienst, aber es ist kein Priester da, der eine heilige Messe feiern könnte, und in der katholischen Kirche ist es nun einmal so (seit inzwischen fast 2000 Jahren), dass die Verwandlung von simplem Brot (wenn auch in möglichst nicht-krümelnder Form) und Wein in das Fleisch und Blut des Herrn Jesus (auch wenn es immer noch wie Brot und Wein aussieht und schmeckt) nur durch bestimmte dazu autorisierte Personen (nämlich die Priester) geschehen darf.
Jetzt ist es aber so, dass das Wort Gottes (d.h. Jesus) in der heiligen Messe nicht nur durch diese Wandlung ganz Gegenwart in der versammelten Gemeinde wird, sondern auch als Wort selbst, nämlich im gemeinsamen Betrachten und Bedenken von ausgewählten Texten aus dem Alten und Neuen Testament. Die Textauswahl ist für jeden Tag im Jahr in 2- bzw. 3-Jahresplänen vorgegeben. Und diese Texte können den Versammelten durchaus auch von Laien vorgetragen werden. Damit das nicht zu beliebig wird, ist es auch plausibel, dafür eine bestimmte Form zu finden. So wird nichts Wichtiges vergessen, es hat etwas Feierliches und ist durch die Übereinstimmung auch einigend für verschiedene solche Gemeinden. Bei dieser Feier können die Gläubigen auch Leib und Blut Jesu empfangen, falls dieses während einer früheren Messe gewandelt und danach – gewöhnlich im Tabernakel – für diesen Zweck und z.B. für die Krankenkommunion aufbewahrt wurde.
Stopp, werden einige sagen. Das gab es schon lange, hieß aber früher anders. Stimmt. Früher gab es so genannte Kommunionfeiern. Die liefen ab wie eine Eucharistiefeier, nur dass der Teil namens Hochgebet fehlte, in dem die Gaben Brot und Wein gewandelt wurden. Früher (soll heißen, vor ca. etwa 30 Jahren) war noch allen klar, dass hier ein elementarer Unterschied zu einer Eucharistiefeier besteht. Irgendwie fehlte dabei, was man eigentlich als das Herz und das Wichtigste der Feier kannte und deswegen vermisste. Aber irgendwie haben das dann in den folgenden Jahrzehnten viele Leute nicht mehr erklärt bekommen und wissen gar nicht so recht, was es mit dem Teil der Messe auf sich hat, zu dem sich die meisten hinknie(t)en und meinten eigentlich ist das ohne genauso gut und auch ein bisschen bequemer (ohne das Knien).
Vermutlich weil es zu mühselig ist, den Leuten von klein auf und immer wieder den Unterschied deutlich zu erklären (wenn man den Aussagen einiger Theologen folgt vielleicht auch deswegen, weil als Teil einer Antidiskriminierungspolitik und Quotenregelung durch eine Verknappung der Bedeutung der Wandlung eine Aufwertung der Wertschätzung des Wortes Gottes zu erreichen ist, so zumindest folgert man aus ihren Erklärungen) und in der Annahme, dass sowieso niemand zuhören wird aber weil man doch nicht ganz vergessen lassen wollte, dass es einen Unterschied gibt, hat man einfach die Reihenfolge von Lesungen, Fürbitten und allen anderen Teilen der Eucharistiefeier (abzüglich des Hochgebetes) gründlich gemischt und in neuer Reihenfolge als Wort-Gottes-Feier präsentiert. – Seltsam nur, man trifft weiterhin Leute, die meinen, die Wort-Gottes-Feier sei zeitgemäßer, weil die auch von Frauen geleitet werden könne und überhaupt moderner und mindestens gleichwertig wie eine Eucharistiefeier wenn nicht besser. Vielleicht hätten ein paar gründliche Erklärungen für die Masse der Getauften doch nicht geschadet?
Wie dem auch sei, es gibt Orte und Umstände, wo eine Wort-Gottes-Feier sehr zu befürworten ist, z.B. in Ländern, in denen die Pfarreien in etwa so groß sind wie Hessen oder Bayern und in Diasporagebieten, in denen es zum nächsten Gottesdienst schon mal 100 km Landstraße sind oder eine Tagesanreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Da ist es sehr sinnvoll, dass sich die wenigen Gläubigen statt ganz auf einen gemeinsamen Gottesdienst zu verzichten, treffen, um wenigstens das Wort Gottes in den Lesungen und im gemeinsamen Gebet miteinander zu teilen, anstatt den Sonntag ganz untergehen zu lassen.
Fragwürdiger wird das ganze nun in der deutschen Situation. Auch wenn die Pfarreienzahl zur Zeit auf ein Drittel bis ein Zwanzigstel des bisherigen Bestandes reduziert wird, denn es gibt zunehmend weniger Priester. In den meisten Fällen ist es doch so, dass die nächste Eucharistiefeier in drei bis zehn Kilometern Entfernung stattfindet, dass sich durchaus Fahrgemeinschaften bilden ließen, um diese heiligen Messen zu erreichen, und dass man so vielleicht tatsächlich erstaunlich volle Kirchen sehen könnte. Aber das ist gewöhnlich nicht erwünscht. Zum einen sehen viele Getaufte keine Notwendigkeit, eine Eucharistiefeier zu besuchen (s.o.), weil die Wort-Gottes-Feier doch eigentlich netter und bequemer ist. Dann wird auch immer gerne das Argument angeführt, die Gemeinschaft der Gemeinde vor Ort werde besser gestärkt durch das Verbleiben in der konstanten Gruppe und dass man schließlich lernen müsse autarker und nicht so abhängig von Priestern zu sein, das sei das Zeichen einer mündigen Gemeinde.
Aus vermutlich derselben Gruppe kommen auch Aussagen wie, dass es keinen Notstand bei den Priesterberufungen gebe, das alles sei eine gute und gesunde Entwicklung, dass die Gemeinden sich selbst versorgten und der Glaube werde darunter in keiner Weise leiden. Mag sein - was nicht mehr da ist, kann auch nicht mehr leiden.
Eine zweite Situation, in der sich Wort-Gottes-Feiern relativer Beliebtheit erfreuen, sind Gottesdienste kleiner Gruppen, die sich für Wochenenden oder Seminare treffen. Da man bei „normalen“ Gemeindegottesdiensten nicht so recht weiß, auf was man treffen wird – abenteuerliche Veranstaltungen für Kinder und Familien, die möglicherweise auch Elemente einer Eucharistiefeier beinhalten; Taufen in der Sonntagsmesse, die den Zeitplan mal um eine halbe Stunde verschieben; Pfarrer, die die Sonntagsarbeit als Zumutung betrachten und sich in Abschreckungspolitik zwecks angezielter Exterminierung versuchen; experimentierfreudige Gemeinden, die eigene Liturgien entwickeln (das gibt es offiziell nicht – sehr witzig); oder nur schlicht eine relativ anonyme Atmosphäre, die nicht so recht zum herzlichen Gruppengefühl passen will. Also, da man nicht weiß, in was man hineingeraten wird und es mit ziemlicher Sicherheit nicht ganz so vertraut sein wird wie in der Gruppe, die hier zusammen ist, zieht man etwas vor, das sich gruppendynamisch sicherlich besser auswirken wird.
Nach Durchleiden so etlicher Misshandlungen und Missbräuche an der Liturgie bin ich durchaus gelegentlich in der Versuchung, mich dem anzuschließen. Es gibt wundervolle Gottesdienste, in denen die Versammelten alles daran setzen, Gott zu ehren und sich gegenseitig Zeugnis geben (einander erzählen), was dieser Großes in ihrem Leben getan hat, ja wo man herausgefordert wird, sein Leben stärker an Jesus zu orientieren und engagierter als Christ zu leben. Ehrlich, es gibt eine ganze Reihe von Gründen, einen solchen Gottesdienst dem vorzuziehen, was leider aus der Liturgie einer Eucharistiefeier oft gemacht wird. Wenn da nicht eines wäre: Jesus hat nicht gesagt „Tut was Ihr zu recht oder unrecht meint, was Euch gut tut“ sondern „Tut dies zu meinem Gedächtnis“.
Es geht hier um einen Gehorsam gegenüber einem der Dinge, die Jesus seinen Jüngern kurz vor seinem Tod aufgetragen hat. So ein Gehorsam ist nicht immer angenehm. Vielleicht kommt er uns manches Mal selbst wie ein Kreuz vor. Aber wie der Herr es sagte: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es der mich liebt.“ (Joh 14 und 15)
Das klingt nun, als sei es eine trockene Angelegenheit, an der Eucharistiefeier teilzunehmen. Nein, das ist es ganz und gar nicht. Mir persönlich ist es ein großer Reichtum, ein Geschenk und ich will nicht darauf verzichten. Aber manchmal ist auch eben viel Kreuz dabei, durch die Umstände und alles, was so aus menschlicher Gemeinschaft erwachsen kann. Und manchmal ist es ein Mitleiden an dem, wie mit Jesus umgegangen wird, gerade da, wo er sich uns so völlig ausliefert und sich für uns hingibt. Aber gerade das, sollte und will ich tun. Donec venias.
Willkommen im Club. Die Erfahrungen, die Du beschreibst haben die meisten Blogger auch schon beschrieben. Mein Mann und ich sind statt in Kleingruppen auszuweichen, die wir als Konvertiten nicht hatten, jeden Sonntag in eine andere KIrche geflüchtet, sowas wie eucharistischer Tourismus. Das Käppele in Würzburg war da sehr ergiebig. Aber man braucht halt auch eine Gemeinde und einen Beichtvater, beides haben wir endlich gefunden. Was für eine Erholung, Priester wie Diakone, die katholischen Klartext reden. Da kann man dann auch eher mal Neues Geistliches Flachliedgut ertragen wenn sonst einschließlich Schuldbekenntnis alles stimmig ist.
AntwortenLöschensehr gut beschrieben, danke!
AntwortenLöschenhj
Mensch, erst jetzt habe diesen Blog und dieses Posting gesehen - DANKE dafür! Sehr zutreffend, ehrlich! :-)
AntwortenLöschenGuten Morgen, liebe Pfaelzerin!
AntwortenLöschenAuch ich bin gerade erst (via Alipius) auf Dein Blog gestossen.
Prima Beitrag, vor allem, da ich aus dem fernen Amsterdam die Entwicklungen in meinem alten Heimatbistum Speyer und meiner Heimatpfarrei mit wachsender Sorge und Fassungslosigkeit verfolge. Vom Priesternetzwerk borge ich mir den Ausdruck "Seelsorgekolchosen", womit die Ziele der "Gemeindepastoral 2015" treffend beschrieben sind.
Dir wuensche ich viel Spass und Erfolg beim bloggen.
@tradi.nl
AntwortenLöschenDanke für die Grüße und willkommen als Leser!