... dann kann er was erleben. Und manchmal ist es sehr befremdlich.
Ich befand mich also in einem von Bergen umschlossenen Gau Österreichs, der von allen Seiten nur über Pässe erreichbar ist und - wie jedes Jahr - hatte der Pfarrer der Gegend (einzelne Orte haben schon lange keinen eigenen Pfarrer mehr dort) in Urlaub, während ich meinen Urlaub dort machte.
Der Blick auf die Gottesdienstordnung zeigte, dass der "Pfarrgottesdienst der Gemeinde" am Sonntag nur ein Wortgottesdienst war. Blieb also der Samstagabend.
Durch einen aus einem Ringbuch gehaltenen Gottesdienst durch den Vertretungsgeistlichen im Vorjahr vorgewarnt, hatte ich dieses Mal den Schott dabei. Vorsichtshalber, damit ich nicht ganz ahnungslos blieb, was die katholische Liturgie für jenen Sonntag eigentlich vorgesehen hatte. (Der Vertretungsgeistliche noch ein Jahr früher, ein Pater aus dem Raum Salzburg, war auch seltsam gewesen. Die allgemeine Stimmung der Ortsansässigen, die sich gerne rühmen, die meisten Sonnenstunden in Österreich zu haben, sank um gefährliche Grade, als er schilderte, wie er durch Nebel und Wolken in diese abgelegene sibirische Gegend gefahren sei - weshalb er wohl auch schon dachte, dass man es an so einem Ende der Welt mit der Liturgie nicht so genau nehmen muss.)
Die Zahl der Gottesdienstbesucher ohne Messdiener und mit anderen Diensten Betraute betrug fünfzehn. In sich schon erschreckend. Allerdings - später wunderte mich das nicht so ganz.
Denn in der Gegend ist es üblich, nicht lange herumzufahren, sondern fast nur in die Messe zu gehen, wenn die auch in der Kirche vor Ort ist, weshalb der Pfarrer jeden Sonntag die Hauptmesse in einer anderen Kirche hält, was den Gesamtgottesdienstbesuch deutlich erhöht. Und das, was da jetzt kam ...
Es war wieder das Ringbuch. Dieses Mal aber wohl andere Blätter daraus. Keine "volkstümlich formulierten" pseudo-liturgischen Texte. Messbuch war es allerdings auch nicht. Na gut, man ist es ja schon gewohnt, hier einiges zu erleiden.
Bedenklich wurde es etwas gegen Ende der Predigt, als der Zelebrant in Minute 15-20 (oder so) noch allen verdeutlichen musste, dass er schon immer mutig und angstfrei den Bedürfnissen des gewöhnlichen Volkes entgegengekommen ist. Denn "keiner hier versteht Latein" (man kann in Gottesdiensten so schlecht laut protestieren). Und in der Kaplanszeit jenes Priesters, in den frühen 60er Jahren sei es üblich gewesen, das Evangelium eben zweimal zu lesen, zuerst in Latein, dann in Deutsch. Er aber habe schon damals die lateinische Lesung, diesen Unsinn gestrichen, woraufhin ihn allerlei Mahnungen und zahlreiche Briefe seines Bischofs erreichten, die er aber allesamt nicht beachtete. Und, wie wir ja alle wüssten, sei dann tatsächlich ein paar Jahre später das Latein beim Konzil verboten worden, wodurch erwiesen sei, dass er nie ungehorsam war, sondern lediglich "vorauseilenden Gehorsam" praktiziert habe.
Eine denkwürdige Logik. Mal abgesehen davon, dass es das "Lateinverbot" nie gab, jedenfalls nicht während oder durch das Konzil, sondern höchstens durch Einzelpersonen wie ihn. Also, wenn ich nächstens auf der Autobahn eine Geschwindigkeitsbegrenzung sehe, die von 22h bis 6 h gilt, es ist aber 4 Uhr, dann darf ich mich vor Gericht darauf berufen, dass ich ja nur vorauseilenden Gehorsam leistete, als ich 50 km/h schneller als erlaubt gefahren bin?
So weit, so ungut. Es nahte das Hochgebet. Geboten wurde eine Variante über das vierte solche mit zahlreichen Ergänzungen, Abänderungen und Auslassungen, die - hier kommt der wirklich dicke Brocken - nicht einmal die Wandlungsworte verschonten.
Danach war ich dann wirklich im Zweifel, ob so etwas noch gültig sein kann. Meines Wissens eher nein. Von daher fragte ich mich, ob es überhaupt irgendeinen Sinn machen könne, jetzt noch zur Kommunion zu gehen bzw. ob das zu verantworten ist..
Das Dilemma fand dann zum Glück dadurch eine Lösung, dass der Pfarrer (nicht der Zelebrant an diesem Tag), wohl für den Sonntags-Wortgottesdienst, ein großes Ziborium voller recht kleiner Hostien konsekriert hatte, die von einer Kommunionhelferin ausgeteilt wurden. Auf der anderen Seite gab es dann die Stücke der zerbrochenen Riesenhostie, die möglicherweise nicht wirklich der Leib Christi war.
Ich habe dann beschlossen, meinen Aufenthalt um einen halben Tag zu kürzen und den folgenden Sonntag (gestern) dann doch lieber mit den Wurstelheimer Verhältnissen vorlieb zu nehmen. Zwar etwas betrübt, dass dieser Zelebrant die Feier der Messe als eine Art lästige Mühe betrachtet, aber immerhin zuversichtlich, dass es trotz allem eine gültig gefeierte heilige Messe ist.
Die Geschichte ist traurig - aber schön erzählt!
AntwortenLöschenWie viel Frust müssen diese alten Männer mit sich herumtragen? Früher habe ich mich über so etwas immer tierisch aufgeregt und geärgert. Heute ist es eher eine Mischung aus Traurigkeit und Gleichgültigkeit. Ich verlasse dann solche Veranstaltungen oder bleibe gleich zuhause. Das ist zwar auch nicht die endgültige Lösung, aber für die Nerven wesentlich schonender!