Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Freitag, 13. April 2012

Das Eisberg-Prinzip, angewandt auf die Missbrauchskrise


Dass die Titanic an einem Eisberg gescheitert ist, obwohl sie als unsinkbar galt, wissen wahrscheinlich mehr Leute als, was an Ostern gefeiert wird.
Die Kirche wird ja auch oft mit einem Schiff verglichen und die extensive öffentliche Beschäftigungen mit Missbrauchsfällen im kirchlichen Raum war für viele eine Erschütterung wie die Kollision mit einem Eisberg .  Manche hatten schon Jahre vorher prophezeit, daran werde die katholische Kirche untergehen. (Diese wussten nicht, dass das sowieso nicht geht, weil Jesus Christus selbst gesagt hat, dass das nie geschehen wird. Noch weniger können sie erkennen, dass das aufgrund des Wesens der Kirche notwendig so ist, da es sich nicht einfach um eine menschengemachte Struktur handelt.)

Aber seitdem beschäftigen sich viele mit dem Problem der Eisberge.  Die derzeit favoritisierte Lösung scheint zu sein,  große Flammenwerfer zu nehmen und alles, was da über Meereshöhe ragt, radikal abzuschmelzen.
Dabei scheint nicht bedacht zu werden, wie Eisberge beschaffen sind und wie sie überhaupt entstehen.

Wenden wir uns zunächst der Beschaffenheit von Eisbergen zu: Wir denken dabei an auf dem Wasser schwebende kleine Gebirge aus Eiskanten und –flächen. Möglicherweise haben wir auch noch eine vage Vorstellung, dass noch einmal eine solche Masse unter dem Wasser liegt. Meistens stellt man sich da eher ein schiffsähnliches Konstrukt vor. Aber Eisberge haben etwa neun Zehntel ihrer Masse unter Wasser. Die Hauptgefahr ist gar nicht die Kollision mit dem Teil, der über das Wasser ragt, sondern die, mit der riesigen Eisfläche unterhalb, die sich oft weit über den oben sichtbaren Teil hinaus erstreckt und nach oben scharfe Kanten hat, die Schiffen, die damit kollidieren den Rumpf aufreißen können. Das ist die Hauptgefahr an Eisbergen.

Weiterhin haben Eisberge einen Entstehungsort:  Sie entstehen nicht, wenn ein zugefrorener Wasserbereich auftaut; das wären Eisschollen.  Eisberge entstehen am Rand riesiger Gletscherflächen. Sie brechen von dort ab.

Was möchte ich damit verdeutlichen?
Zum einen: Missbräuche, gerade im christlichen Rahmen, wo man sie am wenigsten erwarten sollte, entstehen nicht aus dem Nichts; ein Gletscher hat diese Eisberge gekalbt. Unser europäisches Christentum ist in vielem zu einer großen Eiswüste erstarrt. Dass das nicht so sein sollte, ist vielen klar. Darum begrüßen wir die Anzeichen eines Frühlings, der sich auch im Zerbrechen des riesigen Eisschildes zeigt. Was keiner begrüßt sind die gefährlichen Eisberge, die dann herumtreiben, gekalbt von unserem erstarrten Christentum.  Und die sichtbarste Spitze dieser Eisberge, das ist der sexuelle Missbrauch. Er sitzt auf einem Unterbau von vielen Lieblosigkeiten, Zügellosigkeiten und Egoismen. 

Doch wo auch immer wir diesen Eisberg anbohren würden, wir würden auf Menschen stoßen, die sehr leiden.  Wir können sie alle finden in den unter Wasser liegenden Teilen der Eisberge: Menschen, die vor Kälte zittern und nach Wärme und Liebe greifen, in wechselnden Partnerschaften, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, im Verbrauchen der Partner beim Versuch, selbst etwas Wärme zu finden und oben auf der Spitze ein paar, die völlig verfehlt in dieser Suche nach Liebe nicht nur Erwachsene missbraucht haben (denn es sage niemand, dass sich Scheidungs- und Trennungsopfer nicht weggeworfen und missbraucht fühlen) sondern auch Kinder und Jugendliche. Zu was Menschen in ihrem Wahn, ihrer Einsamkeit und Verzweiflung fähig sind, ist schockierend. Kinder sind die wehrlosesten und häufigsten Opfer. Das fängt schon im Mutterleib an. Das geht weiter mit Kindern, die leben dürfen aber unerwünscht sind, denen, die an der Trennung ihrer Eltern fast zerbrechen bis hin zu denen, die zu allzu frühen sexuellen Handlungen verführt werden (zum Teil mit wohlwollender Unterstützung von staatlicher Seite) und solchen, die völlig gegen ihren Willen in sexuelle Handlungen einbezogen oder dazu gezwungen werden.

Eine der Zacken des Eisbergs sind nun Priester, die an Kinderpornographie geraten sind, sich zu unsittlichen Berührungen und in den übelsten Fällen sogar zu Vergewaltigungen hinreißen ließen. Natürlich kann man jetzt oben erwähnten Flammenwerfer nehmen und sie auslöschen. Nennen wir es doch beim Namen, es geht um ihre Eliminierung. Und zwar um die Eliminierung derjenigen, die trotz allem an ihrer Berufung festhalten wollen, die darum kämpfen. Die anderen sind ohnehin gegangen, haben sich laisieren lassen oder sich erst gar nicht darum bemüht. Wir sprechen hier von denjenigen, die sich ihrer Schuld bewusst sind und Wiedergutmachung und Heilung suchen, die zum Teil unübersehbar einen Weg der Umkehr und Buße gegangen sind und gehen. Es mag sein, dass es Priester gibt, die ihren Dienst nur als Beruf sehen, einen Job unter vielen. Aber es gibt viele, deren Lebensinhalt ihre Berufung ist. Werden nun gerade diese dieser Grundlage ihrer Existenz vollständig beraubt (und ich spreche nicht von finanziellen Dingen), ist das im Grunde ein Todesurteil, und zwar keine barmherzige Guillotine sondern ein langer Weg des Elends: ausgestoßen, nutzlos, ohne sinngebende Aufgabe.

Unsere Gesellschaft ist eine des Todes geworden, und es ist damit zu rechnen, dass man diese Menschen, die als Abfall betrachtet werden, ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Verkehr ziehen wird. Doch was wird danach geschehen?

Ganz einfach, der Eisberg wird mit einem Ruck ein Stück nach oben gehen. Und vielleicht , wahrscheinlich sogar, wird eine der Kanten, die gerade vorher noch ausreichend unter Wasser lagen, dem Schiff ein übles Leck schlagen.  Welche es ist, darüber könnten wir lange spekulieren. Vielleicht der Aufruf zum Ungehorsam (der auch ein Schrei nach Liebe ist). Vielleicht die vielen Zacken der gescheiterten Ehen. Vielleicht die Antidiskriminierungs-Stoßspitze bezüglich der Homosexualität. Da liegen viele messerscharfe Spitzen und Kanten ganz dicht unter dem Wasserspiegel. Normalerweise wären sie nicht so ruckhaft aufgetaucht, aber durch die radikalen Maßnahmen am oberen Teil des Eisbergs wird es dann „völlig plötzlich und unerwartet“ dazu gekommen sein.

Doch, gibt es denn auch eine Lösung, die nicht zu Havarien führt? Höchstwahrscheinlich ja. – So wie es derzeit Planmodelle gibt, die Eisberge zu nutzen, indem man sie direkt dahin verschifft, wo ihre riesigen Süßwasserreservoirs (denn Gletscher sind Süßwasser kein Salzwasser) Menschen vor dem Verdursten bewahren können. Wie die Lösung im konkreten Fall für die Kirche aussieht, das müsste gründlich durchdacht werden. So gründlich wie es auch in Bezug auf die realen Eisberge geschieht.

Und vielleicht sollten hier auch wirklich die Verdurstenden betrachtet werden, die Alten, Vereinsamten und Kranken, die Seelsorger brauchen und wollen und nicht nur die, die darauf bestehen, dass ihr Wasser nur aus einem Brunnen kommen darf und auf keinen Fall im Meer treiben und dabei auch etwas Dreck (Sünde) an der Oberfläche ansammeln durfte, den man erst durch geeignete Maßnahmen herausfiltern muss.

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