Dass die Titanic an einem Eisberg gescheitert ist,
obwohl sie als unsinkbar galt, wissen wahrscheinlich mehr Leute als, was an
Ostern gefeiert wird.
Die Kirche wird ja auch oft mit einem Schiff verglichen und
die extensive öffentliche Beschäftigungen mit Missbrauchsfällen im kirchlichen
Raum war für viele eine Erschütterung wie die Kollision mit einem Eisberg
. Manche hatten schon Jahre vorher
prophezeit, daran werde die katholische Kirche untergehen. (Diese wussten
nicht, dass das sowieso nicht geht, weil Jesus Christus selbst gesagt hat, dass
das nie geschehen wird. Noch weniger können sie erkennen, dass das aufgrund des
Wesens der Kirche notwendig so ist, da es sich nicht einfach um eine
menschengemachte Struktur handelt.)
Aber seitdem beschäftigen sich viele mit dem Problem der
Eisberge. Die derzeit favoritisierte
Lösung scheint zu sein, große
Flammenwerfer zu nehmen und alles, was da über Meereshöhe ragt, radikal
abzuschmelzen.
Dabei scheint nicht bedacht zu werden, wie Eisberge
beschaffen sind und wie sie überhaupt entstehen.
Wenden wir uns zunächst der Beschaffenheit von Eisbergen zu:
Wir denken dabei an auf dem Wasser schwebende kleine Gebirge aus
Eiskanten und –flächen. Möglicherweise haben wir auch noch eine vage
Vorstellung, dass noch einmal eine solche Masse unter dem Wasser liegt.
Meistens stellt man sich da eher ein schiffsähnliches Konstrukt vor. Aber
Eisberge haben etwa neun Zehntel ihrer Masse unter Wasser. Die Hauptgefahr ist
gar nicht die Kollision mit dem Teil, der über das Wasser ragt, sondern die,
mit der riesigen Eisfläche unterhalb, die sich oft weit über den oben
sichtbaren Teil hinaus erstreckt und nach oben scharfe Kanten hat, die
Schiffen, die damit kollidieren den Rumpf aufreißen können. Das ist die
Hauptgefahr an Eisbergen.
Weiterhin haben Eisberge einen Entstehungsort: Sie entstehen nicht, wenn ein zugefrorener
Wasserbereich auftaut; das wären
Eisschollen. Eisberge entstehen am Rand
riesiger Gletscherflächen. Sie brechen von dort ab.
Was möchte ich damit verdeutlichen?
Zum einen: Missbräuche, gerade im christlichen Rahmen, wo
man sie am wenigsten erwarten sollte, entstehen nicht aus dem Nichts; ein
Gletscher hat diese Eisberge gekalbt. Unser europäisches Christentum ist in
vielem zu einer großen Eiswüste erstarrt. Dass das nicht so sein sollte, ist
vielen klar. Darum begrüßen wir die Anzeichen eines Frühlings, der sich auch im
Zerbrechen des riesigen Eisschildes zeigt. Was keiner begrüßt sind die
gefährlichen Eisberge, die dann herumtreiben, gekalbt von unserem erstarrten Christentum.
Und die sichtbarste Spitze dieser
Eisberge, das ist der sexuelle Missbrauch. Er sitzt auf einem Unterbau von
vielen Lieblosigkeiten, Zügellosigkeiten und Egoismen.
Doch wo auch immer wir
diesen Eisberg anbohren würden, wir würden auf Menschen stoßen, die sehr
leiden. Wir können sie alle finden in
den unter Wasser liegenden Teilen der Eisberge: Menschen, die vor Kälte zittern
und nach Wärme und Liebe greifen, in wechselnden Partnerschaften, in
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, im Verbrauchen der Partner beim
Versuch, selbst etwas Wärme zu finden und oben auf der Spitze ein paar, die
völlig verfehlt in dieser Suche nach Liebe nicht nur Erwachsene missbraucht
haben (denn es sage niemand, dass sich Scheidungs- und Trennungsopfer nicht
weggeworfen und missbraucht fühlen) sondern auch Kinder und Jugendliche. Zu was
Menschen in ihrem Wahn, ihrer Einsamkeit und Verzweiflung fähig sind, ist
schockierend. Kinder sind die wehrlosesten und häufigsten Opfer. Das fängt
schon im Mutterleib an. Das geht weiter mit Kindern, die leben dürfen aber
unerwünscht sind, denen, die an der Trennung ihrer Eltern fast zerbrechen bis
hin zu denen, die zu allzu frühen sexuellen Handlungen verführt werden (zum Teil
mit wohlwollender Unterstützung von staatlicher Seite) und solchen, die
völlig gegen ihren Willen in sexuelle Handlungen einbezogen oder dazu gezwungen
werden.
Eine der Zacken des Eisbergs sind nun Priester, die an
Kinderpornographie geraten sind, sich zu unsittlichen Berührungen und in den
übelsten Fällen sogar zu Vergewaltigungen hinreißen ließen. Natürlich kann man
jetzt oben erwähnten Flammenwerfer nehmen und sie auslöschen. Nennen wir es
doch beim Namen, es geht um ihre Eliminierung. Und zwar um die Eliminierung
derjenigen, die trotz allem an ihrer Berufung festhalten wollen, die darum
kämpfen. Die anderen sind ohnehin gegangen, haben sich laisieren lassen oder
sich erst gar nicht darum bemüht. Wir sprechen hier von denjenigen, die sich
ihrer Schuld bewusst sind und Wiedergutmachung und Heilung suchen, die zum Teil
unübersehbar einen Weg der Umkehr und Buße gegangen sind und gehen. Es mag
sein, dass es Priester gibt, die ihren Dienst nur als Beruf sehen, einen Job
unter vielen. Aber es gibt viele, deren Lebensinhalt ihre Berufung ist. Werden
nun gerade diese dieser Grundlage ihrer Existenz vollständig beraubt (und ich
spreche nicht von finanziellen Dingen), ist das im Grunde ein Todesurteil, und
zwar keine barmherzige Guillotine sondern ein langer Weg des Elends:
ausgestoßen, nutzlos, ohne sinngebende Aufgabe.
Unsere Gesellschaft ist eine des Todes geworden, und es ist
damit zu rechnen, dass man diese Menschen, die als Abfall betrachtet werden,
ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Verkehr ziehen wird. Doch was wird danach
geschehen?
Ganz einfach, der Eisberg wird mit einem Ruck ein Stück nach
oben gehen. Und vielleicht , wahrscheinlich sogar, wird eine der Kanten, die
gerade vorher noch ausreichend unter Wasser lagen, dem Schiff ein übles Leck schlagen.
Welche es ist, darüber könnten wir lange
spekulieren. Vielleicht der Aufruf zum Ungehorsam (der auch ein Schrei nach
Liebe ist). Vielleicht die vielen Zacken der gescheiterten Ehen. Vielleicht die
Antidiskriminierungs-Stoßspitze bezüglich der Homosexualität. Da liegen viele
messerscharfe Spitzen und Kanten ganz dicht unter dem Wasserspiegel. Normalerweise
wären sie nicht so ruckhaft aufgetaucht, aber durch die radikalen Maßnahmen am
oberen Teil des Eisbergs wird es dann „völlig plötzlich und unerwartet“ dazu
gekommen sein.
Doch, gibt es denn auch eine Lösung, die nicht zu Havarien
führt? Höchstwahrscheinlich ja. – So wie es derzeit Planmodelle gibt, die
Eisberge zu nutzen, indem man sie direkt dahin verschifft, wo ihre riesigen
Süßwasserreservoirs (denn Gletscher sind Süßwasser kein Salzwasser) Menschen
vor dem Verdursten bewahren können. Wie die Lösung im konkreten Fall für die
Kirche aussieht, das müsste gründlich durchdacht werden. So gründlich wie es
auch in Bezug auf die realen Eisberge geschieht.
Und vielleicht sollten hier auch wirklich die Verdurstenden
betrachtet werden, die Alten, Vereinsamten und Kranken, die Seelsorger brauchen
und wollen und nicht nur die, die darauf bestehen, dass ihr Wasser nur aus
einem Brunnen kommen darf und auf keinen Fall im Meer treiben und dabei auch
etwas Dreck (Sünde) an der Oberfläche ansammeln durfte, den man erst durch
geeignete Maßnahmen herausfiltern muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen