Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Donnerstag, 19. April 2012

Wie echt ist der Heilige Rock?


Ist er wirklich die „Tunica Christi“? Der beste Artikel, den ich hierzu gelesen habe, geschrieben von Michael Hesemann, stand am 7.4.12 in Die Tagespost, S.5.; leider ist er im Archiv nur für Abonnenten zugänglich.  Auf diesen Artikel nehme ich hier Bezug:

In uns zugänglichen Quellen erwähnt wird der „Heilige Rock“ zuerst im 12. Jahrhundert, in den Gesta Treverorum, deren älteste Teile von 1205 stammen. Am 1. Mai 1196 wurde der Rock im Petrusaltar  des Ostchores des Trierer Doms untergebracht, wo man sie auch 1512 wiederfand:  es war eine „löchrige, brüchige, uralte Tunika“.
Die erste wissenschaftliche Untersuchung fand erst 1973/74 statt. Dabei wurde festgestellt, „dass der Heilige Rock ... gar nicht die eigentliche Reliquie ist, sondern gewissermaßen ihr Reliquiar. Der Pilger sieht ... eine auf der Vorderseite mit Falten verzierte liturgische Tunika aus dem 16. Jahrhundert. ... In ihrem Inneren befinden sich elf Schichten von Textilien unterschiedlichen Alters und Zustands. Tüll- und Seidenfutter aus dem 19. Jahrhundert sowie ältere Gaze- und Taftseide umgeben eine fragile Schicht verfilzter Wolle hohen Alters, zusammengehalten durch die Überreste brüchig gewordener orientalischer Seidengewebe aus dem achten bis neunten Jahrhundert. Nur diese Wollschicht kann einen Anspruch darauf erheben, als die eigentliche Reliquie zu gelten.“

Man hatte nämlich im Jahre 1512 nur ein Kästchen mit den gefalteten alten Wollresten gefunden, Kaiser Maximilian I wollte sie aber als Gewand sehen. Da die Wollreste so wenig repräsentabel waren, nähte man sie wohl in eine neue Tunika ein, deren Form der ursprünglichen nachempfunden war. Doch der Zahn der Zeit nagte weiter. 1891 war das Gewebe derart zerfallen, dass man alles mit Gummitragant bestrich. Dadurch entstand das heutige Aussehen und da man damals noch nichts von Radiokarbondatierung wusste, nahm man auch keine Rücksicht darauf, dass diese dadurch unmöglich wurde.

In oben erwähntem Artikel wird ausgeführt, dass im 19. Jahrhundert gespottet wurde, es gebe an die 20 „Heilige Röcke“ an verschiedenen Orten.  Bei genauerer Untersuchung der Anhaltspunkte ergibt sich jedoch, dass es sich bei den meisten um andere Gewänder/Kleidungsstücke handelt, nämlich ein „Kindergewand des Herrn“, der Purpur, den die römischen Soldaten bei der Geißelung zur Verspottung verwendeten, das Gewand, das Herodes gegeben haben soll. Bei anderen Quellen könnte es sich durchaus um Sichtungen der verschiedenen Gewänder zu verschiedenen historischen Zeitpunkten handeln, denn von ihrem Verbleib ist nach jenen lange zurückliegenden Erwähnungen nichts mehr bekannt.

Eine Reliquie gibt es jedoch, bei der es wahrscheinlicher ist, dass sie das unzerteilte Gewand Christi ist, und zwar in Argenteuil in Frankreich. Karl der Große soll dem Kloster dort 802 das Gewand übergeben haben, das er selbst von der byzantinischen Kaiserin Irene erhalten hatte. Diese inzwischen sehr stark beschädigte Tunica (sie musste unter anderem durch die französiche Revolution hindurch gerettet werden) wurde 1898 und 1932-34 untersucht und scheint eine römische Textilie aus dem ersten bis dritten Jahrhundert zu sein, die „über und über mit Blutflecken bedeckt“ ist. Und ebendiese Blutflecken stimmen mit denen auf dem Turiner Grabtuch überein; ähnliche Stoffe waren auch in der jüdischen Felsenfestung Masada gefunden wrden. Die Blutgruppe ist AB – wie auf allen untersuchten Textilien, die über Europa verstreut in Kirchen und Klöstern zu finden sind und als Tücher gelten, die bei der Grablegung Christi Verwendung fanden. Nicht nur, dass AB die seltenste Blutgruppe ist, in Israel macht sie heute ca. 1% der Blutgruppen aus und je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto seltener tritt AB überhaupt auf, sogar die genetische Signatur des Blutes ist Haplotyp J, der am häufigsten bei sephardischen Juden vorkommt. „Die Deformation vieler roter Blutkörperchen wies zudem auf eine schwere traumatische physische Misshandlung des Trägers der Tunika hin. Zudem beinhaltete ihr Gewebe die Pollen von Bäumen und Gräsern ... die in Palästina häufig sind, zudem Sandkörnchen, Kalksteinstaub und Glimmerspuren aus einem trockenen wüstenähnlichen Gebiet.

Die Wahrscheinlichkeit ist also durchaus nicht gering, dass es sich bei der Tunika in Argenteuil um das Untergewand Christi handelt. Das heißt aber nicht, dass es sich in Trier nicht auch um eine echte Reliquie (gleich wievielten Grades) handelt. Bei dieser könnte es sich um eine Übertunika gehandelt haben, die über dem Untergewand getragen wurde. Unbestreitbar ist, dass Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, die Anfang des 4. Jahrhunderts viele Ausgrabungen in Jerusalem durchführen ließ, bei denen der Großteil der nun über Europa verstreuten Reliquien, auch all der Partikel des Kreuzes, gefunden wurden, ab 307 in Trier residierte und dass dort eine „bedeutende Herrenreliquie“ verehrt wurde. Erst nach 353 nach Christus wurden alle wichtigen Reliquien sorgfältig versteckt, um sie vor den Barbareneinfällen zu schützen, bei denen zahlreiche Siedlungen, Klöster und Kirchen nebst allem, was darin war, verbrannt wurden.

Fazit: Niemand wird beweisen können, dass im „Heiligen Rock zu Trier“ tatsächlich Fasern von Kleidungsstücken enthalten sind, die Jesus selbst einmal getragen hat; aber es gibt doch immerhin einige Indizien, dass dem so sein könnte.

Nun gibt es einige, die gerne sagen, es sei ohnehin bedeutungslos, ob eine Reliquie echt sei oder nicht, Hauptsache, man nehme sie zum Anlass zu frommen Übungen aller Art. Dem stimme ich nicht zu. Etwas als Reliquie auszugeben, was eindeutig keine ist, wäre letztendlich ein Betrug oder Selbstbetrug. Und eine Wallfahrt bei der es vor allem um das Gemeinschaftsgefühl  und emotionale Erlebnisse geht, wäre gar keine wirkliche Wallfahrt. Die meisten, die nach Trier kommen, werden es tun, weil die gezeigte Tunica zumindest Fasern von einem Gewand enthält, von dem man Grund hat, zu vermuten, dass es ein Gewand war, das Jesus einmal trug, weil wir Menschen gerne etwas Greifbares von jemandem haben, andem wir interessiert sind, etwas das ein Gefühl von Nähe vermittelt. Und dazu würde ein T-Shirt aus dem Supermarkt, das man gemeinschaftsfördernd als etwas bezeichnet, von dem jeder weiß, dass es das nicht ist, nichts nützen.

Und wer weiß, heutzutage wird kaum jemand nach Trier zum Heiligen Rock pilgern, weil er eine wundersame Heilung erwartet, aber das schließt nicht aus, dass es geschehen könnte. Wunder sind Zeichen, die die Authentizität und Wahrheit von etwas bestätigen und so den Glauben stärken. Sie sind nie Selbstzweck. Eine Stärkung des Glaubens aber könnten wir hierzulande wirklich gebrauchen.

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