Wie so einige andere andere war ich berufs- und familienbedingt noch nicht dazu gekommen, einige der Aussagen zu überprüfen, die David Berger schon in seinem vielgelesenen Buch als nun auch neuerlich in Interviews gemacht hat, aber es gibt ja Profis, die sogar ihr Geld damit verdienen, dass sie über so etwas Artikel schreiben und Alexander Kissler hat sich die Mühe gemacht, den Text der Neujahrsansprachen von Papst Bendedikt XVI zusammenzufassen und auf das zu untersuchen, was dieser Theologe, der die andere zerreißende Polemik schon immer liebte (seine Karriere gründete sich auf seine Rahner-Kritik und er schildert selbst in seinem Buchbericht, wie er dabei immer maßloser übertrieben hat) und dafür auch offenbar vor sehr einfach nachweisbaren Falschbehauptungen nicht zurückschreckt, hatte behauptet, Papst Benedikt XVI habe in jeder seiner Neujahrsansprachen, "die Homosexuellen nicht nur indirekt als Menschen zweiter Klasse bezeichnet und homosexuelle Veranlagungen verteufelt".
Glatt gelogen hat der Herr Berger da. Nachzulesen auf http://www.theeuropean.de/alexander-kissler/5579-phobie-und-verleumdung. Zitat daraus: "Halten wir fest: Von den bisher sieben Neujahrsansprachen im Pontifikat Benedikts XVI. haben drei keinen Bezug zum Themenfeld Ehe oder Gleichgeschlechtlichkeit; bei den übrigen vier finden sich knappe und gewiss von der Meinungsfreiheit gedeckte familienpolitische Hinweise, Befürchtungen, Sorgen, stets gegen Ende, stets in wenigen Worten, die an keiner Stelle jene Grenze zur Schmähung ins Blickfeld bekommen, die David Berger mit seinen Aussagen mehrfach überrennt."
Natürlich gibt es neuerdings immer wieder Versuche, die Aussage, die Ehe zwischen Mann und Frau und die Familie sollten geschützt werden, sei eine Diskriminierung Homosexueller. Das ist aber als ob die Aussage, man solle das Baumfällverbot im Frühjahr nicht aufheben (das besteht, weil viele Vögel dann in den Bäumen brüten) eine Diskriminierung von Felsenbrütern sei. - Völlig unsinnig. Den einen schützen, heißt doch nicht automatisch dem anderen schaden wollen und Felsen werden auch gewöhnlich nicht gefällt.
Eine zweite ständig wiederholte Lüge und zwar in bewusster Verzerrung ist die zur Karfreitagsfürbitte in der außerordentlichen Form der Liturgie. Und zwar wird ein lateinisches Wort, das sich gar nicht darin findet aber einmal in der früheren Fassung stand, bewusst nicht übersetzt. Nun wäre auch "treulos" keine freundliche Bezeichnung, aber "perfid" erscheint dem heutigen Sprachempfinden doch eine Klasse schlimmer oder auch zwei; es impliziert noch eine boshafte Absicht. Nun, wird in der Fürbitte ganz simpel für die Juden gebetet, ganz ohne ein "perfid" oder ein "treulos". Herr Berger weiß das auch genau, das legt er sogar dar in seinem Buch, um dann sofort zu wiederholen, wie unmöglich es sei, jemanden als perfid zu bezeichnen. Anscheinend weiß er wohl, dass an Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidende Journalisten sich auch noch einer klaren gegenteiligen Aussage zwei Zeilen vorher nur merken können, dass irgendwo "perfid" gesagt worden sei und die katholische Kirche deswegen böse ist.
Von den ganzen Publikationen, die die gelogenen Behauptungen mit tiefer Empörung über die (völlig zu Unrecht) Verleumdeten abgedruckt und abgeschrieben haben, hat sich auch wieder niemand die Mühe gemacht, mit ein paar Klicks im Internet die Originaltexte herbeizuholen und dann einmal kritisch zu hinterfragen, warum Herr Berger Lügen verbreitet und wie qualifiziert dann möglicherweise der Rest seiner Texte und Behauptungen ist. Gut, dass Journalisten Latein können, erwarte ich nicht ernsthaft, humanistische Bildung wird allmählich Luxusware, aber die Papstansprachen gibt es auch in Deutsch.
Wenn die Originaltexte so einfach im Internet zu finden sind, bitte ich, mir zu erklären, wie das geht. Mir ist es trotz intensiver Suche seit gestern noch nicht gelungen. Ich würde mir aber gerne meine eigene Meinung bilden, wie ich es gewohnt bin. Vielen Dank!
AntwortenLöschenDie Originaltexte gibt es auf www.vatican.va. Die deutsche Version auswählen oder sonstige Sprache. Auf der Seite, die dann geöffnet wird, sieht man alle Texte des Papstes in Grobübersicht. Ziemlich mittig stehen die Ansprachen. Dort das Jahr anklicken und den Monat, Januar, wählen. Innerhalb des Monats sind die Texte leider etwas unsortiert. Diejenigen, um die es geht, sind die an das Diplomatische Korps, die sogenannten Neujahrsansprachen. Zur Sicherheit noch die kompletten Links.
AntwortenLöschen2006: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2006/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20060109_diplomatic-corps_ge.html
2007:
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2007/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20070108_diplomatic-corps_ge.html
2008:
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20080107_diplomatic-corps_ge.html
2009:
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2009/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20090108_diplomatic-corps_ge.html
2010:
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2010/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20100111_diplomatic-corps_ge.html
2011
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2011/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20110110_diplomatic-corps_ge.html
2012
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2012/january/documents/hf_ben-xvi_spe_20120109_diplomatic-corps_ge.html
Ich kann bestätigen, dass eine simple Googlesuche die Texte leider nicht zutage fördert, wenn man nicht weiß, dass der offizielle Titel "Ansprache von Papst Benedikt XVI. beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps" ist. Aber die Vatikan-Webseite liefert alles relativ gut übersichtlich; der direkte Weg ist also oft der schnellste und leichteste.
AntwortenLöschenVielen Dank für die Links, werde sie gleich kritisch studieren. Dank auch für die genauen Titel, das erklärt, warum ich sie nicht fand und schon begann, an meinen Recherchequalitäten zu zweifeln.
AntwortenLöschenHabe soeben die Ansprache 2006 gelesen und festgestellt, dass auch Herr Kissler sich in seinem genannten Artikel nicht getreu an die Wahrheit gehalten hat: entgegen seiner Behauptung, das Wort "Familie" käme darin nicht vor, finde ich es bereits im ersten Absatz der Ansprache zweimal, einmal im Singular, einmal im Plural. Aus dem Vorbildcharakter der Heiligen Familie, den Benedikt dort postuliert, kann Herr Berger allerdings tatsächlich herausgelesen haben, dass damit homosexuelle Familien nicht den Segen des Papstes finden würden, da die Heilige Familie heterosexuell konstitutiert war. (Die eventuell nicht so vorbildliche biblische Tatsache, dass Joseph nicht der Vater von Jesus war, kann hier undiskutiert bleiben, da sie ja nach katholischer Lehrmeinung gottgewollt war.)
AntwortenLöschenDas von Ihnen zitierte aus der Aussage herauszulesen, ist völlig richtig. Was Herr Berger allerdings behauptet, ist, es seien homosexuelle Veranlagungen verteufelt und solche Menschen als welche zweiter Klasse bezeichnet worden, und das ist eine Interpretation über die man sehr geteilter Meinung sein kann aber keinesfalls eine direkte Aussage im Text wie kolportiert wird.
AntwortenLöschenHerr Kissler hätte dann natürlich auch genauer arbeiten müssen.