Wir Christen sind oft ganz schön ernsthaft, oft sogar richtig verbissen, wenn es um das eine oder andere geht. Und dann verlieren wir noch vor lauter Eifer für die Wahrheit und den Herrn gelegentlich so ziemlich alles aus dem Auge, was Er uns angelegentlich aufgetragen hat. Ganz besonders das mit der Liebe, das Johannes in seinem Evangelium im Kapitel 15 ausführlich darlegt. Und so war das auch, als die Spanier unter Cortez nach Südamerika kamen. Klar, es lockten Gold und Reichtum, aber Cortez war es auch ein ehrliches Anliegen, die aztekischen Völker zum Christentum zu bekehren.
Die Azteken konnten aber mit dem Gekreuzigten gar nichts anfangen. Menschenopfer kannten sie, die gab es täglich in großen Zahlen. Das war normal, dass Menschen grausam starben. Nicht schön, aber normal. Ein Elend, aber, so dachten sie, ohne das Blut der zahllosen Opfer würde die Sonne am nächsten Tag nicht mehr aufgehen können, also war es nicht ganz sinnlos. Und es war zum einen nicht einsichtig, warum sie nun irgendein Opfer verehren sollten statt Göttern, die zwar grausam aber immerhin mächtig waren. Und dann: Die Spanier behaupteten zwar, ihr Gott wolle Frieden und Liebe, aber was taten sie? Sie brachten dauernd die Indios um und manchmal auch sich gegenseitig. Das war wirklich nicht glaubwürdig. Wozu sollten sie die eine Art von Elend und Grausamkeit durch eine neue Variante ersetzen, die möglicherweise sogar noch schlechter war (und eventuell das Ende der Welt bedeutete, weil die Sonne ohne rituelle Menschenopfer ja nicht mehr aufgehen würde)?
Und da passiert diese völlig unwahrscheinliche kleine Episode. Ein schon angejahrter Indio, Unterschicht, keiner der adligen Führerschaft, der sich – aus welchen Gründen auch immer – doch hat taufen lassen, will zur Kirche seiner Pfarrei gehen und unterwegs begegnet ihm eine junge Frau (den Interpreten des drei Tage später auf rätselhafte Weise entstehenden Bildes nach ca. 14 Jahre alt). Um sie herum Vogelgezwitscher und Blütenduft auf einem eigentlich recht kahlen dornigen Hügel in der kalten Jahreszeit. Sie stellt sich schließlich als Maria vor und dann ein aztekisches Wort über das Uneinigkeit besteht, das aber möglicherweise „Besiegerin der Schlange“ hieß und von den Spaniern später als „Guadalupe“ verstanden wurde. Sie schickt den Indio Juan zum Bischof, weil sie hier eine Kapelle gebaut haben möchte. Der Bischof will einen Beweis. Sie lässt Juan Rosen pflücken, die er in seinem Umhang aus Agavefasern zum Bischof bringt. Durchaus ein Beweis, denn solche Rosen hätte er dort und besonders in dieser Jahreszeit nicht pflücken können. Die große Überraschung kommt dann, als er die Rosen ausleert, auf dem Umhang ist ein ziemlich erstaunliches Bild zu sehen: die junge Frau mit einem Gewand mit goldenem Blütendekor und einem Sternenmantel , vor der Sonne stehend, eine Mondsichel unter den Füßen.
Einmal abgesehen von allen ungewöhnlichen Eigenschaften, die dieses Bild hat und die ich hier nicht ausbreiten will, was hat die Indios an diesem Bild so angesprochen, dass sie plötzlich in Scharen zum Christentum übertraten?
Es gibt drei zentrale Punkte des Handelns Gottes, in denen das Heil, das allen Menschen offen steht, gewirkt wird und die so untrennbar miteinander verbunden sind wie die Offenbarung, dass da nur ein Gott ist und dennoch in drei Personen. Verstehen kann man es nicht, nur staunend betrachten. Von diesen drei zentralen Punkten, die nur eine Wirklichkeit sind, gibt es je ein Bild (das eigentlich kein Bild ist, da es keine wirklichen Farben enthält) auf drei verschiedenen Stoffen, das auf bisher sehr rätselhafte Weise entstanden ist. Es gibt das Grabtuch von Turin (mit dem Ganzkörperabdruck des gekreuzigten und gestorbenen Jesus). Es gibt das Muschelseidentuch in Manoppello (mit dem Gesichtsabdruck des lebenden (auferstandenen) Jesus). Es gibt das Marienbild von Mexiko (mit dem Beginn der Menschwerdung). Also Inkarnation (Menschwerdung), Tod am Kreuz (Erlösung) und Auferstehung.
Hier ist besonders interessant, dass dieses Bild am 12. Dezember entstand, bzw. Anfang Dezember generell. Es gibt etliche Hinweise, dass der Geburtstag Jesu in Wirklichkeit ein Tag Anfang September war. Eine Überlegung, die besonders berücksichtigt, was wohl die drei Weisen, die kurz nach der Geburt anreisten, beobachtet haben könnten, das sie veranlasste, dort hinzureisen, gibt eine gute Argumentation, warum die Sternenkonstellation vom 1. September im Jahr 2 v.Chr., 4 Uhr 30 sehr wahrscheinlich ist. Anfang Dezember ist neun Monate vorher, also um den jahreszeitlichen Zeitpunkt der Beginn der Schwangerschaft Marias.
Denn auf diesem Bild ist Maria als schwanger dargestellt. Nach Paul Badde ist auf ihrem Kleid unter dem Gürtel eine Jasminblüte zu sehen, die sich gerade öffnet und in der man bei starker Vergrößerung Teile eines winzigen Gesichtchens erkennen kann.
Das ist nämlich der ganz entscheidende Punkt in aller Symbolik. Maria bringt Jesus, auf ihn weist sie hin. Sie tritt vor die Sonne und steht über dem Mond (zwei miteinander streitende mächtige Aztekengötter) in dem Moment, indem sie selbst Mutter wird. An die Stelle des permanenten Tötens und Sterbens wird der Neubeginn der Schöpfung in der Menschwerdung Jesu gesetzt. Blumen und singende Vögel verdeutlichen den Frieden des Paradieses. Und so viel mehr, man kann sich lange darin vertiefen.
Zwar liegt in jedem Moment des Heilsgeschehens eine Mischung von Freude und Schmerz vor. Das Kreuz ist von Anfang an gegenwärtig, aber auch selbst im Kreuz die Auferstehung. Doch die Gewichtung der Elemente verschiebt sich bei der Betrachtung der einzelnen Aspekte. Sie alle können heilend und heilsam sein. Die Passion wie die Hoffnung der Auferstehung. Das Wissen, das Gott unser Leid ganz verstehen kann, genauso wie das Vertrauen, dass das Leid nur der Durchgang zu Freude ist. In dem dargestellten Moment der Menschwerdung aber überwiegt die stille, leise Freude, das Wunder, dass die Ewigkeit die Zeit berührt, der Himmel die Erde. In einem Bild, das jeder verstehen kann, dem einer jungen werdenden Mutter.
Hier konnten die Indios die frohe Botschaft sehen und in den dokumentierten Worten des liebevollen Gesprächs zwischen Juan und der jungen Frau hören und es hat sie im Herzen erreicht und selbst das so Befremdliche des Kreuzes und so Unvorstellbare der Auferstehung begreifen lassen.
Auch ich selbst habe einiges von dieser Freude gefühlt, als ich die Beschreibungen darüber las und als ich versuchte es in Worte zu fassen, was Maria in diesem Bild für uns ist, fand ich „Grund unserer Freude“ , um festzustellen, dass das auch eine Anrufung der Lauretanischen Litanei ist. Und es schien mir, dass uns die Freude so oft fehlt, weil wir verlernt haben, genau dieses Bild (ob nun so wie das mexikanische, das uns geschenkt ist oder wie wir es uns sonst vorstellen können) zu betrachten, dass es da diesen Berührungsmoment von Zeit und Ewigkeit gibt, in dem eine bis dahin unbekannte große Freude in unsere Welt gekommen ist.
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