Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Freitag, 2. März 2012

zur "Historizität" frei formulierter Hochgebete


Neuerdings wird bei Diskussionen über den sehr willkürlichen Umgang einiger katholischer Priester mit den liturgischen Texten immer öfter ein Argument gezückt, das solche Willkür legitimieren soll: Es sei schließlich, wird gesagt, in der frühen Kirche nicht nur üblich gewesen, alles frei zu formulieren, sondern sogar das Qualitätsmerkmal eines Priesters gewesen, das Hochgebet frei zu formulieren.

Was steckt dahinter? Ein befreundeter Priester, der das Argument noch nicht gehört hatte, hielt das für unwahrscheinlich, seien doch schon in der Didache, aus der Zeit um 100 n. Chr.,  feste Formulierungen vorgegeben.

Bei der Suche nach den Ursprüngen der Aussage stieß ich dann auf ein Buch von Christoph Markschies von 2007: „Kaiserzeitliche und christliche Theologie und ihre Institutionen“. Dieser zitiert auf S. 147 Bradshaw: „Schriftlich fixierte Texte waren in den ersten drei Jahrhunderten so gut wie unbekannt; der Gottesdienst wurde folglich weithin improvisiert und war in seiner Entwicklung entsprechend flexibel.“  Bradshaw wiederum stützt sich auf ein Werk von Hanson 1961, das allerdings später sehr in Frage gestellt wurde.

Dann fährt Markschies fort:
„Bereits bei Justin heißt es, dass der Vorsteher des eucharistischen Gottesdienstes Gebete und Danksagungen (frei) formuliert, so gut er kann und die sogenannte Traditio Apostolica verbietet dem Bischof dankzusagen, als ob er auswendig gelernt habe, sondern „jeder soll beten wie er kann“. Natürlich darf man die an sich richtige Vorstellung, in der Liturgie sei improvisiert worden, auch nicht übertreiben, da immerhin schriftlich fixierte Texte aus vorkonstantinischer Zeit existieren, die sicher nicht „die römische“, „die antiochenische“ oder „die alexandrinische“Liturgie repräsentieren, wohl aber in diesen Gebieten von Gruppen, deren Grenzen und Einfluss wir nicht mehr exakt bestimmen können, verwendet und überliefert wurden …. Bereits Origenes sagt … (Mitte drittes Jahrhundert): „Beim Beten wollen wir bei den festgelegten Formeln bleiben“, meint aber damit „etwas Gewagtes zu sagen“.“

Eines können wir mit Sicherheit also sagen: nichts ist völlig sicher und keine Aussage wird gültig sein für alle Bereiche, in denen sich das Christentum verbreitet hatte.
Sicher ist, dass es zunächst an ausführlichen schriftlich fixierten liturgischen Texten mangelte, so dass in weiten Bereichen nichts anderes übrig blieb, als frei zu formulieren, und sicherlich war es wünschenswert, dass der Vorsteher des Gottesdienstes dann fähig war zu formulieren und zwar so, dass die Inhalte möglichst gut wiedergegeben wurden und nicht mühsam aus dem Gedächtnis rezitiert wirkten.
Sicher ist auch, dass – auch nach dem Zeugnis der Didache – von Anfang das Bemühen vorhanden war, eine verbindliche schriftliche Vorlage zu schaffen, so dass die Feier der Eucharistie weniger von den rhetorischen Qualitäten des Gottesdienstvorstehers abhängig war. Wohl weil schon damals begnadete Redner, die zugleich flammend begeisterte Christen waren, nicht an jeder Ecke zu finden waren.

Die Ausformulierung der Liturgie war ein Dienst, für den viele dankbar gewesen sein dürften und der Besitz dieser Texte wohl von hohem Wert.

Völlig an den Tatsachen vorbei aber geht es, wenn aufgrund jener historischen Gegebenheiten heutige Messzelebranten (in Überschätzung ihrer rhetorischen und literarischen Begabung und darüber hinaus liturgische Vorschriften brechend) sich in die Vorstellung hineinsteigern, sie würden den Gottesdienst in seiner ursprünglichsten Form feiern, wenn sie statt der in Druckform verfügbaren liturgischen Texte ihre eigenen Ergüsse von Zetteln ablesen (was übrigens gerade keine freie Formulierung ist sondern ein Ablesen, was selbst damals, wie oben angeführt, unerwünscht war.) Die eigene beqeme Selbstüberschätzung und Selbstherrlichkeit auch noch mit den Notständen, Notbehelfen und Notwendigkeiten früherer Zeiten rechtfertigen zu wollen, zeugt schon von einer gewissen Insolenz.

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