In den vergangenen Wochen durfte ich zuhören, wie ein Liturgiereferent eines Bistums den Unterschied zwischen der Liturgie vor und nach dem Vaticanum II erläuterte. Das Konzil habe "die Liturgie auf den Kopf gestellt", und zwar dahingehend, dass es sich zuvor um eine "Klerikerliturgie" gehandelt habe, nun aber sei es eine "Volksliturgie". Die alte Liturgie sei für das Volk gehalten worden, die neue werde mit dem Volk gehalten. Die Abgrenzung des Altarraums, habe dazu geführt, dass das Volk nur Zuschauer gewesen sei. Durch das Konzil sei Gott in die Mitte gestellt worden, darum sei ein Rundbau nun die eigentliche Kirchenform. In der alten Liturgie sei Jesus Christus der Liturge gewesen, in der neuen sei einfach dadurch gegenwärtig, dass 2 oder 3 in seinem Namen versammelt seien. Daher sollte eigentlich jeder der Anwesenden ein liturgisches Gewand zum Gottesdienst anlegen. Zeichen der Gegenwart Gottes seien erstens die versammelt Gemeinde, zweitens das Wort Gottes repräsentiert durch das Ambo, drittens die Sakramente, viertens die Feier der Messe und fünftens der Priester. Die durch das Konzil verlangten Änderungen seien erst zu etwa 40 % umgesetzt. Insbesondere fehle das diakonische Element im Gottesdienst noch zu stark. Denn die bisherige Liturgie orientiere sich zu sehr an den ersten drei Evangelien, während das Johannesevangelium die Fußwaschung explizit schildere, während die Einsetzungsworte nicht einmal erwähnt würden, diese würden also gerade in diesem zentralen Evangelium als vernachlässigbar gegenüber der Fußwaschung betrachtet.
Es ist doch immer sehr erhellend, solchen Ausführungen zuzuhören. Ohne sie versteht man gar nicht, was eigentlich geschehen ist.
Man sieht , dass durchaus einige hehre Ideen dahinterstehen. All das wurde sogar so mitreißend vorgetragen, dass viele der Anwesenden hellauf begeistert waren - ich habe es hier nur auf die Kernaussagen reduziert, da sieht es ein bisschen anders aus.
Aber vielleicht kennen das einige. Hehre Ideen und Theorien sind eines, die raue Wirklichkeit das andere. Wer jemals bei Firm- oder Kommunionkatechesen mitgearbeitet hat, kennt das vielleicht. Zwei Stunden lang wurde das Programm für eine Stunde mit den Kindern/Jugendlichen besprochen und durchgearbeitet, mit allen sinnvollen pädagogischen Aspekten ausgeplant - die Stunde kommt - und das ganze tolle Programm ist durch die Kinder in 5 Minuten abgehakt. Der Rest der Stunde wird dann mit Spielen, Malen oder belanglosem Plaudern irgendwie durchgestanden, weil so schnell aufzuhören mit dem anspruchsvollen Programm natürlich peinlich für den Gruppenleiter wäre. Woran ist es gescheitert? Gewöhnlich am mangelnden Vorwissen der Kinder. Ihnen wurden Dinge präsentiert, die auf sie zugeschnitten sein sollten, aber die ihnen völlig Fremdes präsentierten. Darum hatten sie nichts dazu zu sagen, noch weniger hatten sie Fragen dazu. Es berührte sie nicht.
Genauso ist es mit den liturgischen Ideen die zur Umkrempelung der bis dahin gültigen liturgischen Ordnung führten. Die wesentlichste Grundvoraussetzung war offenbar: Jeder der am Gottesdienst teilnimmt ist ein getaufter Christ, der sich klar seiner Identität in Christus bewusst ist und in der vollen ihm geschenkten Würde seiner Salbung mit den Brüdern und Schwestern den Gottesdienst zelebriert. Aufgrund der gelebten Christusähnlichkeit eines jeden Teilnehmenden sind dann die Teile, in denen einem Mitglied dieser Versammung, dem Priester, die repräsentative Durchführung einzelner Teile übertragen wird, nicht mehr besonders relevant, da die Christusnachfolge in jeder Handlung der Anwesenden ohnehin gewährleistet ist.
Utopia lässt grüßen.
Aber genau diese Utopie war die Voraussetzung für die liturgischen Steinbrucharbeiten, die durchgeführt wurden. Änderungen, die in Wirklichkeit fast hundertprozentig an der Lebenswirklichkeit der Gläubigen vorbeigingen.
Denn - jetzt kommt der Gipfel der Weltfremdheit - irgendwie gingen und gehen die Anhänger dieser Theorie gegen alle Tatsachen davon aus, dass diese vollkommene Christusähnlichkeit durch Taufe und Firmung bei den Gläubigen einfach (hokuspokus) vorhanden ist, denn zeitgleich zur Einführung dieser Liturgie der Vollkommenen glaubte man auf fast alle grundlegenden Elemente der Katechese, der Formung und Schulung des Glaubens und der Darstellung der grundlegenden Elemente der christlichen Lehre verzichten zu können.
Und all das in einer Zeit, als bereits bekannt war, dass eine Entfremdung vieler Gläubiger von ihrem Glauben schon deutlich fortgeschritten war.
Unser derzeitiger Zustand in den Gemeinden ist, dass viele der Anwesenden bestenfalls als Katechumenen durchgehen könnten. In vielen Fällen kommen sie in den Gottesdienst aus einer Sehnsucht nach Gott und Gemeinschaft. Andere kommen noch aus einem in Teue zu dem, was sie vor vielen Jahren einmal in ihrer damals noch vorhandenen Katechese gelernt haben. Aber weder können diese formulieren, warum sie bei vielen der Neuerungen ein ungutes und leeres Gefühl haben, noch finden die Suchenden das, was ihre Sehnsucht stillt. Denn vieles in der erneuerten Liturgie richtet sich an Christen, die ihren Glauben zutiefst verinnerlicht haben, ohne aber deren Bedürfnis nach der Anbetung ihres Herrn viel Raum zu verschaffen, weil viele der Formen dazu gedacht sind, nur ihre eigene Würde und Bedeutung als Christusträger zu betonen.
In einer Annäherung an die Realität wurden dann - eigentlich völlig inkongruent zu den ursprünglichen Ansprüchen der Liturgiereform - viele Elemente eingeführt, die berücksichtigen, dass die Gottesdienstbesucher eigentlich mit dem, an dem sie teilnehmen, völlig überfordert sind. (Das Volk kann keine drei Lesungen hören. Das Volk versteht ohnehin nicht viel, man darf es nicht mit Worten wie "Opfer" schockieren, da ist es besser vom "heiligen Brot" zu sprechen, von dem sie mitessen dürfen.) Und weil es ja unmöglich ist (außer die Teilnehmerzahlen fallen noch weiter), dass jeder ein Pöstchen ausüben darf, um wirklich aktiv teilzunehmen, dürfen die "engagierten" als Repräsentanten wichtige Aufgaben übernehmen. Wobei eigentlich nur sie die Ideale der Reform voll verwirklichen usw. ...
Man müsste den ganzen Irrsinn einmal gründlich analysieren, der sich hier aufgebaut hat.
Wie jener Liturgiereferent etwas später selbst sagte, hat die katholische Kirche durch die Reform, wie sie bisher ist, fast alle "einfachen Leute" verloren, die Bauern und Arbeiter, die durch die ältere Form angesprochen worden seien. Der durchschnittliche Gottesdienstbesucher sei eher mittelständisch bis intellektuell. Die meisten der Gruppen, die durch die Sinus- Milieu-Studie identifiziert worden seien, seien durch diese Gottesdienstform in keiner Weise erreichbar.
Die Lösung dafür sei, stärker zielgruppenorientierte Gottesdienste anzubieten. Halt, nicht einfach Gottesdienste, zielgruppenorientierte Eucharistiefeiern, die sich den Bedürfnissen der Milieus anpassten.
Zwar führt diese Sicht dazu, dass auch diejenigen, die als tradititionalistisch betrachtet werden, als eigenes Milieu akzeptiert werden und daher neuerdings mehr Toleranz erwarten dürfen.
Was dieser Denkansatz - und all das vorige - völlig aus den Augen verloren zu haben scheint, ist der Aspekt der himmlischen Liturgie, die den Standard für die irdische Liturgie setzt und die - da ewig - unveränderlich ist.
Hier wäre noch viel zu sagen, aber fürs erste sei mit dieser Darstellung des Standes der Liturgie in unserem Bistum genug getan.
Klare Worte. DANKE
AntwortenLöschenWunderbar auf den Punkt gebracht!
AntwortenLöschenYup. So isses. Punkt. Merci!
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