Hier geht es erst einmal um Übersetzungsprobleme und wie man sie manchmal löst. Was dann kommt, fand ich interessant wegen der zwei Worte, die ich in keiner heutigen Übersetzung finden kann, nämlich „ohne Grund“. Denn mit denen erscheint der Text erst wirklich sinnvoll. Schließlich wurde ja auch Jesus laut Evangelien gelegentlich einmal zornig und zwar mit gutem Grund. Schön herausgestellt finde ich auch die Steigerung: einfach zornig sein – wütende Geräusche von sich geben – den anderen zur Minna machen. ( sehr frei übersetzt)
Absatz 22: „Ihr habt gehört“, sagt Er also, dass in den alten Zeiten gesagt wurde, Du sollst nicht töten, und wer tötet, soll in Gefahr sein, gerichtet zu werden. Aber ich sage euch, dass wer ohne Grund zornig auf seinen Bruder ist, in Gefahr sein soll, gerichtet zu werden. Und wer seinen Bruder „raka“ nennt, soll in Gefahr sein, vor den Rat zu kommen, aber wer sagt „Du Narr“, soll in Gefahr sein, ins Feuer der Gehenna zu kommen.“ Was ist der Unterschied zwischen der Gefahr, gerichtet zu werden und der vor den Rat zu kommen? Das letztere klingt sehr gewichtig und erinnert uns, dass verschiedene Stationen passiert wurden von geringfügigeren zu gewichtigeren, bis das Feuer der Gehenna erreicht war. Und daher ist es geringfügiger, in Gefahr sein, gerichtet zu werden als in der vor den Rat zu kommen, und wenn es geringfügiger ist, vor den Rat zu kommen als in die Gefahr des Feuers der Gehenna, müssen wir begreifen, dass es geringfügiger ist, ohne Grund zornig über einen Bruder zu sein, als „Raka“ zu sagen, und wieder, dass es geringfügiger ist, „Raka“ zu sagen als „Du Narr“. Denn die Gefahr hätte keine Abstufungen, wenn die Sünden nicht abgestuft aufgezählt würden.
Absatz 23. Aber hier hat ein unbekanntes Wort Platz gefunden, den “Raka” ist weder Latein noch Griechisch. Die anderen jedoch sind in unserer Sprache geläufig. Nun, einige wollten die Interpretation dieses Ausdrucks vom Griechischen ableiten, in der Annahme, dass eine zerlumpte Person „Raka“ genannt wird, weil ein Lumpen Griechisch „rakos“ heißt; doch wenn man fragt, was eine zerlumpte Person auf Griechisch heißt, sagen sie nicht „Raka“; außerdem, ein Lateinübersezter hätte wohl zerlumpt übersetzt, wo er „raka“ wählte und nicht ein Wort gebraucht, das weder im Latein existiert und noch dazu im Griechischen selten ist. Daher ist die Vermutung wahrscheinlicher, die ich von einem Hebräer hörte, den ich dazu fragte; denn er sagte, das Wort heiße gar nichts, sondern drücke nur die Emotion des Zornigseins aus. Grammatiker nennen solche Sprachpartikel, die einem Affekt oder Erregung entstammen Interjektionen; so wie jemand „ach“ sagt, wenn er trauert oder jemand, der zornig ist „Ha!“ In allen Sprachen werden diese Wörter als Eigennamen geschrieben und sind schwer zu übersetzen; und das hat wohl Griechisch- wie Lateinübersetzer dazu gebracht, das Wort selbst zu schreiben, da sie nichts fanden, um es zu übersetzen.
Absatz 24. Hier wird also eine Abstufung der Sünden genannt, zuerst ist man zornig und hält dieses Gefühl im Herzen; doch wenn nun die Emotion einen Ausdruck des Ärgers ohne klare Bedeutung hervorlockt, aber doch dem Gefühl Ausdruck gibt durch diesen Ausbruch, wodurch der, auf den man zornig ist, angegangen wird, dann ist das sicherlich mehr als ein aufkommender Zorn, der in Stille zurückgehalten wird; wenn man jedoch mehr als nur seinen Ärger ausdrückt, sondern auch ein Wort sagt, durch das der, der es ausspricht seine Meinung über den, gegen den es sich richtet, klar zum Ausdruck bringt, wer kann zweifeln, dass das dann mehr ist als ein bloßer Ausruf des Zorns? Daher ist es zuerst nur Zorn, dann gibt es den Zorn und einen Ausruf und als drittes den Zorn und das Wort, das ihn zum Ausdruck bringt und in diesem eine klare Meinung über jemanden. Betrachtet nun die drei Grade, in denen zur Verantwortung gezogen wird: das Gericht, der Rat, das Feuer der Gehenna. Denn bei einem Gericht gibt es die Möglichkeit, sich zu verteidigen; vor dem Rat, jedoch, obwohl es auch ein Richten gibt (jedoch die Unterscheidung selbst zwingt uns einzugestehen, dass hier ein gewisser Unterschied besteht, dem Rat steht es zu, das Urteil zu fällen, denn hier liegt der Fall des Angeklagten selbst vor, ob er zu verurteilen ist oder nicht, doch die, die richten beraten miteinander, wozu sie ihn verurteilen sollen), steht schon die Verurteilung fest. Das Feuer der Gehenna jedoch fragt nicht mehr nach einer Verurteilung wie das Gericht oder einer Bestrafung des Verurteilten wie der Rat, denn Verurteilung und Strafe, der Verurteilten stehen für die Gehenna schon fest. So gibt es also Abstufungen in der Sünde und in der ausstehenden Strafe; doch wer kann sagen, wie sich das unsichtbar in den Strafen der Seelen zeigt? Wir sollen daher lernen, wie groß der Unterschied ist zwischen der Gerechtigkeit der Pharisäer und der größeren Gerechtigkeit, die in das Himmelreich hineinführt, denn es ist ein schwereres Verbrechen zu töten, als jemandem mit Worten einen Vorwurf zu machen. Im einen Fall liefert das Töten dem Gericht aus, im anderen der Zorn, was die geringste dieser drei Sünden ist. Denn im vorhergehenden Fall wurde die Sünde des Mordes unter Menschen diskutiert, aber im Folgenden geht es um das göttliche Gericht, wo die Verurteilten im Feuer der Gehenna enden. Aber wenn man sagt, dass Mord bei größerer Gerechtigkeit schwerer bestraft wird, wenn schon ein Vorwurf mit dem Feuer der Gehenna bestraft wird, zwingt man uns zu verstehen, dass es verschiedene Gehennas gibt.
Absatz 25. Tatsächlich, in den drei vorliegenden Aussagen müssen wir beachten, dass einige Wörter vorausgesetzt werden. Die erste Aussage enthält alle notwendigen Wörter. „Wer“, sagt Er, „ohne Grund zornig ist auf seinen Bruder, soll in Gefahr sein, gerichtet zu werden.“ Aber bei der zweiten, wenn Er sagt, „wer zu seinem Bruder „Raka“ sagt“, ist der Ausdruck „ohne Grund“ mit beinhaltet, und so wird geschlossen mit „ist in Gefahr, vor den Rat zu kommen“. In der dritten jetzt, wenn Er sagt, „wer zu ihm sagt: Du Narr!“, zwei Dinge sind mit enthalten, sowohl zu seinem Bruder als auch ohne Grund. Und hier ist es wichtig, das Wort Bruder mitzuhören, da über den Fall eines Feindes danach gesprochen wird und wie dieser unter der größeren Gerechtigkeit zu behandeln ist.
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