Immer wieder erleben wir und erzählen Beispiele davon, dass es gegenüber dem Christlichen und insbesondere dem Katholischen einen generellen Mangel an Achtung zu verzeichnen gibt.
Ich frage mich allerdings auch, wieviel davon möglicherweise selbst geradezu erarbeitet worden ist. Da ich katholisch bin, kann ich hier nur von der katholischen Seite sprechen.
Und ich meine hier nicht die Dinge, die gerne aus vergangenen Jahrhunderten (und oft auch in Varianten, die mehr Mythen als Wahrheit sind) angeführt werden, um alles Christliche/Katholische von vornherein in Bausch und Bogen verdammen zu können. Ich meine viel einfachere Dinge. Die Art, wie wir selbst mit dem umgehen, was wir für heilig halten. Was uns tatsächlich heilig ist.
Am meisten fällt mir das Muster bei der älteren Generation auf. Bekannte, von denen ich weiß, dass sie zutiefst fromm und gläubig sind. Aber sobald sie nicht mehr mit dem Herrn allein sind sondern andere dabei sind, haben sie den Drang zu zeigen, dass sie eigentlich auch "ganz normal" und "irgendwie cool" sind. Dann wird mit "kritischen Fragen" brilliert. Da wird ganz lässig mit Sakramenten und Sakramentalien umgegangen. usw. usw.
Spricht man die Betreffenden darauf an, sind sie ganz erstaunt und erzählen, wie ihnen doch schon damals vor 40 Jahren unterstellt worden sei, dass sie immer die Superfrommen sind. Und verstehen gar nicht, dass sie so etwas tun sollten, was im Grunde der Frömmigkeit anderer sehr abträglich ist.
Aber ich kann auch gleich bei mir anfangen. Ich bin ja in so einer Atmosphäre aufgewachsen und hatte die voll absorbiert. Es brauchte ein paar Nicht-Christen, die mir klar gemacht haben, dass da etwas nicht stimmt bei mir.
Das erste Mal war bei einer Kommilitonin. Wir hatten dort ein Treffen wegen einer gemeinsamen Arbeit. Irgendwann wollten wir ein Würfelspiel machen und einer der Studenten (katholisch) griff sich das nächstbeste Buch (eine Bibel) als Unterlage für den Würfelbecher. Woraufhin die Gastgeberin ihm die Bibel wegnahm und erklärte: "Wir sind freireligiös. Aber meine Eltern haben mir beigebracht, dass man ein Buch wie die Bibel nicht durch so etwas missachten soll. Das gehört sich nicht."
Ich hatte keine Ahnung, was freireligiös bedeutet. Ich dachte nur etwas beschämt, das ich dafür zu feige gewesen war, ja, noch nie einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass man eine Bibel nicht wie ein anderes Buch behandeln könne.
Das nächste Mal stieß es mir ein paar Jahr später auf. Ich erfuhr, dass Muslime es als Blasphemie betrachten, den Koran auf den Boden zu legen. Nicht zu werfen. Nein, es ging um den Kontakt mit dem Boden per se.
Nr. 3 kam dann vom Zen-Buddhismus. Im Karate. Wenn der Sensei (Lehrer) jemanden zusammenstauchte wegen Verhaltens, das eines Dojos (Übungsraum) nicht würdig war.
Und mir ging nicht mehr aus dem Kopf, wie sich die meisten Katholiken inzwischen in einer Kirche verhalten. Wie ich mich manchmal rechtfertigen musste, manchmal glaubte, rechtfertigen zu müssen, wenn ich dabei nicht mitmachte. Wie ich sorgfältig immer alles gemieden hatte, was zu "fromm" aussehen könnte. Wie ich ständig auch hatte zeigen wollen, dass ich keiner von den "altmodischen", "unmodernen", "weltfremden" und irgendwie peinlichen Leuten war, über die sich doch alle mit Recht mokierten. Keiner von denen, die "Äußerlichkeiten überbewerten", wenn es doch auf die Einstellung ankam.
Seit dem Karate war ich kein Feigling mehr. Seit den Muslimen und den Freireligiösen behandle ich heilige Gegenstände nicht mehr wie nicht-heilige.
Aber es hat all diese Leute gebraucht, damit ich überhaupt sehe, was ich getan habe. Und die einzigen, denen es aufstößt, sind die vielen "mit-den-Äußerlichkeiten-sollte-man-ganz-vorsichtig-dosieren-Katholiken".
Wir sollten uns jedoch nicht wundern, wenn Nicht-Gläubige alles Katholische verächtlich und missachtend behandeln, wenn die Katholiken es ihnen dauernd vormachen.
Wer kritisiert denn dauernd am lautesten in der Öffentlichkeit den Papst. Wer benimmt sich denn in den Kirchen so, dass die unglücklichen Beispiele gesetzt werden?
Wir haben da ein sehr großes inneres Problem, das wir nicht werden lösen können, wenn nicht viele - und hoffentlich auch viele Geistliche - da endlich mal mit gutem Beispiel voran gehen.
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