Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Samstag, 1. Januar 2011

Der Rhein fließt in den Tiber - 5: "Putschversuch" und Tumulte - Die dritte Sitzungsperiode (14.9.-21.11.1964)


Wie schon im vorigen Beitrag angedeutet, allmählich begannen Dinge zu entgleisen. Was sich bei den Konzilsvätern noch in gewissen Grenzen hielt, uferte in den Pressemeldungen völlig aus. Wer verstehen will, was die WsK-Leute bewegt, sollte sich das Folgende zu Gemüte führen; es erklärt so einiges.
Wen die Details langweilen, der kann zum schräg gedruckten Text scrollen (der auf längere Zeit angelegte „Putschversuch“ – P. Schillebeeckx erklärte nach der Sitzungsperiode wahrscheinlich völlig aufrichtig, dass diese extreme Auslegung nie angestrebt worden wäre – hätte er in die Zukunft blicken können, hätte er es besser gewusst) und im Anschluss daran die Aufregungen der letzten Sitzungswoche.


Das siebte Kapitel von „Über die Kirche“ wurde wegen der Dürftigkeit der Formulierungen sehr kritisiert; ein eschatologisches Kapitel in dem die ewigen Dinge (Himmel, Hölle) und der Heilige Geist nicht vorkamen.
Kapitel 8 (Maria) wurde zur Revision zurückverwiesen, das Kapitel wurde verlängert und die Gottesmutter erhielt einige ihrer Titel zurück, zum Bedauern einiger ökumenischer Repräsentanten.
Das Schema über die Religionsfreiheit wurde nach heftiger Diskussion (auch es war mittlerweile sehr vage formuliert) zur Revision gegeben.

Die Erklärung über das Verhältnis zu den Juden, wurde – insbesondere wegen politischer Umstände – ausgeweitet zu der über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen.
Die Konstitution über die Quellen der göttlichen Offenbarung wurde erst nach Intervention des Papstes ohne Einschränkungen angenommen. Zuvor hatten sich die Fronten verhärtet, einige sahen Lehrirrtümer bei Formulierungen, von denen andere nicht abweichen wollten.
Das Schema über das Laienapostolat wurde angenommen.
Das Schema über die Priester wurde zurückverwiesen; gewünschte Änderungen für die Revision waren innerhalb dreier Tage einzureichen.
Das Schema über die Missionen wurde zur Revision zurückverwiesen. Zu Verwunderung führte, dass der Papst gemeint zu haben schien, es könne sofort angenommen werden. Er schien nicht über die zahlreichen Vorbehalte informiert.
Das Dekret über die katholischen Ostkirchen wurde angenommen, die Einschränkungen von 607 Konzilsvätern dabei nicht berücksichtig – hier zeigte sich die Macht, die die Kommissionen in vielen Fällen ausüben konnten, ihre Ansichten durchzusetzen.

Das Schema über die Kirche in der Welt von heute. Zu den 29 Seiten des Schemas wurde ein 57-seitiges Supplement verfasst, das allerdings nicht rechtzeitig zur Verschickung bereit war. Letzteres lag dann zwei Wochen nach Beginn der Sitzungsperiode vor. Obwohl die Abstimmung ergab, dass das Schema für eine weitere Diskussion ausreichend war, wurde das Supplement zur Verwunderung aller fast komplett eingefügt, weil die zuständige Kommission es beschloss.

Das gekürzte Schema über die Orden wurde sehr kontrovers diskutiert. Da beobachtet worden war, dass bei Zurückweisung eines Schemas nach Neubearbeitung eine stark abgeänderte Version in Erscheinung zu treten pflegte, die in erster Linie den Ansichten der deutschsprachigen Gruppe entsprach, strebten andere Gruppen die Annahme mit Einschränkungen an. In den Einschränkungen wurden dieses Mal alle Gesichtspunkte recht gut berücksichtigt. – Interessant auch war, dass erstmals erlaubt wurde, die schriftlich ausgearbeitete Einschränkung erst am Folgetag einzureichen. Wie sich herausstellte, hatte das deutsche Verteilersystem für Vorlagen dieses Mal nicht funktioniert, so dass die darin ausgeteilten Ansichten den Koordinatoren nicht genügend repräsentiert schienen. Oder so vermuteten danach einige.

Das Schema über die Priesterausbildung wurde zur Revision zurückgewiesen und im nächsten Jahr angenommen.

Zu der Abstimmung über die Kollegialität bringe ich hier ein direktes Zitat von P. Wiltgen. Der Papst war gewarnt worden, der Text des Dokuments sei so vage, dass er in extremer Form ausgelegt werden könne – dennoch vertraute er der Theologischen Kommission. Es geschah folgendes:

„Nun machte einer von den extremen Liberalen den Fehler, schriftlich auf einige von diesen zweideutigen Passagen Bezug zu nehmen und anzugeben, wie sie nach dem Konzil interpretiert werden würden. Dieser Text fiel der oben erwähnten Gruppe von Kardinälen und Generaloberen in die Hände, deren Vertreter ihn dem Papst brachten. Papst Paul erkannte endlich, dass er getäuscht worden war, brach zusammen und weinte.
Was dagegen tun? Da der Text des Schemas keine positiv falsche Behauptung enthielt, sondern bloß zweideutige Termini benützte, konnte die Zweideutigkeit geklärt werden durch Anfügung einer sorgfältig gefassten Erklärung an den Text. Dies war der Ursprung der erläuternden Vorbemerkung, die an das Schema angehängt wurde.“

Die „Instanter, instantius, instantissieme“-Petition
Es ging um das Schema über die Religionsfreiheit. Das revidierte Schema wurde am Abstimmungstag vorgelegt, war von 271 auf 556 Zeilen gewachsen, aus dem vorherigen Text stammten nur noch 75 Zeilen, die Argumentation war völlig geändert worden, die Frage anders dargestellt, wichtige Paragraphen völlig neu. Daher verlangte eine größere Gruppe die Vertagung, um den Text richtig durchlesen zu können. Daraufhin wurde obige Petition an den Papst eingereicht, er möge die sofortige Abstimmung anordnen. Als der Text bekannt wurde, brach ein Tumult aus und es vielen sehr unschöne Worte. Der Papst gab der Petition nicht statt, was einige höchst erregte.

Beim Schema über den Ökumenismus waren von 421 Einschränkungen bei der Revision nur 26 berücksichtigt worden. Daraufhin wurden 40 neue Verbesserung vorgelegt und Appelle an den Papst gerichtet, er möge sie unterstützen, weil sonst das Dokument für die Betroffenen nicht akzeptabel sei. Kardinal Bea und seine Mitarbeiter übernahmen 19 davon, die den Inhalt des Schemas nicht zu sehr veränderten. Dies löste große Empörung bei den Liberalen aus. Bei der Abstimmung wurde das Schema dann mit 2054 zu 64 Stimmen gebilligt.

Bei der Abschlussmesse traf der Papst wegen seiner Interventionen deswegen bei einigen auf einen kühlen Empfang. Dieses wich bei der Promulgation etlicher Schemata dem Applaus, um wieder zuzunehmen, als Papst Paul VI Maria feierlich den Titel „Mutter der Kirche“ verlieh. Den Titel, der gerade erst aus dem Schema über die Kirche entfernt worden war; die Befürworter waren begeistert.

Selbst Vertreter der „Liberalen“ waren allerdings entsetzt, als sie erkannten, wie die Presse die obigen Ereignisse aufgegriffen hatte, um über den Papst herzufallen und verlautbarten Klarstellungen.

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