Zu den bisherigen Texten wäre der Vollständigkeit halber noch hinzuzufügen, dass Leo XIII ein weiteres Gebet geschrieben, in dem der Erzengel Michael prominent zu Hilfe gerufen wird, den sogenannten „kleinen Exorzismus“. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem relativ selten zur Anwendung kommenden (in Deutschland meines Wissens überhaupt nicht, da es hier keinen offiziell bestellten Exorzisten gibt – der nächste im deutschsprachigen Raum könnte der der Diözese Wien sein, was zumindest den Tourismus in solchen Angelegenheiten nach Italien, wo es etliche Exorzisten gibt, etwas eingedämmt haben dürfte) großen Exorzismus.
(Und jetzt hoffe ich, dass mich nicht jemand hinrichten will, weil ich das E-Wort auch nur verwendet habe.)
Zurück zu Leo XIII. Wir sehen hier eine deutliche Entwicklung in den Gebeten. 1888 kam es zu dem einschneidenden Erlebnis, das Leo XIII hatte und das seiner Meinung nach so akuten Bedarf nach Handeln hatte, dass er den schon bestehenden Gebeten am Ende der Messe ein weiteres hinzufügte. Das schien ihm nicht auszureichen, also wurde eine weitere sehr ausführliche Version geschrieben, die detaillierter in Bezug auf mögliche Gefahren ist. Diese wurde wegen missverständlicher Passagen wieder gekürzt. Jedoch war inzwischen auch schon der kleine Exorzismus geschrieben und approbiert, der sich nicht mit Spezifika befasst, sondern ein sehr vollmächtiges Gebet um Schutz und Befreiung ist. Was viele nicht wissen ist, dass jeder für sich selbst (und nur für sich selbst) dieses Gebet still beten darf. Die Intention Leos XIII war, dass die Priester es auch für ihre Pfarreien regelmäßig beteten. Da zu diesen Zeiten zu den Vorstufen der Priesterweihe auch die Exorzistenweihe gehörte, waren alle Priester dazu ermächtigt, auch ohne die spezielle Bevollmächtigung, die es für den großen Exorzismus braucht.
Nachdem Leo XIII sich stufenweise bis zum Empfehlen des täglichen kleinen Exorzismus vorgearbeitet hatte, der durch die geistliche Autorität eines Pfarrers über alle, die zu seiner Pfarrei gehörten, auch diese schützen würde, schien es wohl nicht mehr so essentiell die vorhergehenden Gebete um jeden Preis beizubehalten. Vermutlich fielen aber im Lauf der Jahrzehnte diese Zusammenhänge der Vergessenheit anheim. Schließlich kam man sogar zur Ansicht, dass derartige Gebete vollkommen unnötig seien, da es ja keinen Bösen und keine bösen Geister sondern nur ein schwer zu definiertes allgemeines Böse gebe, das letztendlich irgendwo in der Natur des Einzelnen oder von Gruppen seinen Ursprung nahm.
Ob das so richtig sein kann, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich halte es durchaus für sinnvoll, um Schutz vor bösen Einflüssen aller Art zu beten, unabhängig davon, ob die Vision Leos des XIII sich nun auf das 20. Jahrhundert oder Teile davon oder auf immer bezog.
Es wurde die Frage aufgeworfen, was das wohl heißen möge, dass der Feind „in einen Engel des Lichts verwandelt“ unterwegs sei.
Hierauf gibt es mehrere mögliche Antworten. Zum einen, die ganz allgemeine, dass das Böse sich immer gerne als das wirklich Gute ausgibt. Die wenigsten Menschen würden schließlich absichtlich etwas eindeutig Böses tun, und wenn dann mit schlechtem Gewissen. Massiv Böses geschieht jedoch oft, wenn Verschiedene der Täuschung anheimfallen, etwas wahrhaft Gutes erreichen zu können.
Kurz erwähnt sei die Bibelstelle, die oft auf den Feind (Satan ist nämlich nur das hebräische und arabische Wort für Feind) bezogen wird, in der dieser mit dem Morgenstern verglichen wird. Diese hat letztendlich auch die heutige übliche Deutung des Namens Lucifer begründet. Aber das ist insgesamt eine komplexere Geschichte.
Weiterhin hatte Ignatius von Loyola Visionen, in denen ihm ein Engel des Lichts zu erscheinen schien, bis er dann feststellte, dass die Erscheinungen keineswegs zum Guten waren.
Man könnte auch vermuten, dass sich Leo XIII mit dem vermeintlichen „Lichtengel“ auf die Freimaurerei bezieht, die zu seiner Zeit sehr stark war. Bei zumindest einigen dieser Vereinigungen spielte Luzifer eine sehr positive Rolle, wurde also keineswegs mit dem Bösen identifiziert sondern war nur schrecklich missverstanden worden.
Ich denke, die allgemeine Deutung, dass das Böse sich oft als gut und erstrebenswert darstellt, ist Deutung genug, die sich auf alle eventuellen konkreten Situationen anwenden lässt. Darum ist es schließlich so wichtig, dass wir das Wort Gottes immer neu verinnerlichen und kennen, damit wir erkennen was damit übereinstimmt oder es nur zu tun scheint, damit wir wie Jesus bei der Versuchung in der Wüste handeln können. Auch ihm wurden dabei scheinbar gute erstrebenswerte Dinge in Aussicht gestellt, die sogar mit dem Wort Gottes begründet zu sein schienen.
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